Gehetzt - Thriller
Fersen heften können.«
»Sich an unsere Fersen heften? Welchen Sinn sollte das denn haben?«
»Willst du mir erzählen, dass du keine zwielichtigen Freunde hast?«
»Du meinst im Untergrund?«
»Ja, genau da. Glaubst du nicht, den Bullen liefe bei dem Gedanken, Gail Rubin beschatten zu können, das Wasser im Mund zusammen?«
»Ich glaube nicht, dass sie hinter uns her sind.«
»Weißt du, dass sie nicht hinter uns her sind?«
»Wir können jedenfalls nicht hier aussteigen, sonst wissen sie sofort, dass irgendetwas nicht stimmt.«
»Genau. Wir warten, bis wir den Bahnhof erreichen. Wann auch immer sie mit ihrer Überprüfung des Zuges fertig sind.«
Sie saßen einfach nur da, die Luft in dem Abteil wurde immer abgestandener. Diane und Gail schwitzten. Gail löste das Kreuzworträtsel in der Post. Das dauerte etwa zehn Minuten. Weitere vierzig Minuten später ging die Belüftungsanlage wieder an, und die Motoren wurden wieder hochgefahren. Der Zug rollte langsam weiter. Ein schwarz-weißes Schild verkündete, dass sie in Cleveland waren. Diane begann, ihre Sachen zusammenzupacken.
Gail wusste nicht genau warum, aber plötzlich hatte sie
das Gefühl, dass auszusteigen falsch war. Auf ihren Fahrkarten stand Chicago, und genau dahin sollten sie fahren. Und dann dachte sie, es wäre doch das Richtige auszusteigen, und sie stand ebenfalls auf und be gann, ihre Sachen zusammenzupacken. Verflixt. Wer konnte schon ahnen, was das Richtige war? Wer wusste es? Sie nicht. So musste man sich fühlen, wenn man sich Methamphetamine spritzte. Sie konnte nicht mehr klar denken.
»Wir sollten im Zug bleiben«, stellte sie an Diane gewandt fest.
»Wie bitte?« Diane ließ sich auf ihren Sitz fallen. Sie hielt den ausgefahrenen Griff ihres Rollkoffers in der Hand, bereit loszueilen. »Wir müssen hier raus, Mensch.«
»Nein. Wir müssen bis Chicago im Zug bleiben.«
»Du bist verrückt.«
»Wenn sie uns aussteigen sehen, riechen sie Lunte.«
»Wenn wir se hen, dass sie den Zug beobachten, steigen wir nicht aus. Aber wenn ich eine Chance sehe, unbemerkt rauszukommen, bin ich weg. Ich werde nicht hier hocken bleiben und mich verhaften lassen.«
»Du steigerst dich da rein.«
»Nein, überhaupt nicht. Ich bin absolut ruhig.«
Der Zug war jetzt in einem Tunnel. Schwache, trübe Lichter huschten am Fenster vorbei, die Abstände zwischen ihnen wurden immer länger, je langsamer der Zug fuhr, und dann fuhren sie in eine riesige, hell erleuchtete Bahnhofshalle ein, und der Zug wurde langsamer und noch langsamer und hielt an.
KAPITEL 11
Gail blieb sitzen und sah Diane an, die an der Tür stand. Vom festen Umklammern des Koffergriffs waren ihre Knöchel weiß.
»Du machst einen Fehler«, sagte Gail ruhig. »Einen großen Fehler.« Sie lehnte sich in ih rem Sitz zu rück und drückte sich in die Polster, als ob sie sich wappnete, sich ihrer Verhaftung zu widersetzen.
»Sie nehmen dich fest«, erwiderte Diane mit angespannter Stimme. »Sie bringen dich zurück nach Sundown.«
»Ich weiß, was ich tue.«
»Keine von uns hat ei nen verdammten Schimmer, was sie tut, aber ich verlasse mich auf das, was ich mit eigenen Augen gesehen habe, und auf mein Gefühl. Und ich sage dir, so wahr ich hier ste he: Wenn du hierbleibst, lochen sie dich ein. Darauf kannst du Gift nehmen.«
Gail kramte in ihrer Tasche herum, holte ein Bündel Dollarscheine heraus und hielt sie Diane hin. »Hier. Du brauchst Geld.«
Diane starrte die Scheine an und rührte sich nicht.
»Nimm sie!«
Diane griff nach dem Geld und stopfte es sich in die Hosentasche, hielt jedoch abrupt inne.
»Komm mit! Ich bringe uns beide hier raus.«
»Ach ja?« Gails Stimme klang wütend. »Hast du einen Plan?«
Diane stand stumm da, dann kniete sie sich hin, riss den
Reißverschluss ihres Koffers auf, nahm frische Kleidung heraus und begann, sich umzuziehen. Warum sie das tat, wusste sie nicht. Vielleicht versuchte sie, Zeit zu schinden, weil sie Angst hatte. Vielleicht hoffte sie auch, dass Gail es sich noch anders überlegte. Vielleicht kämpfte sie auch gegen ihre Panik an. Im nächsten Moment stopfte sie das Geld und ihren Führerschein in die Hosentaschen ihrer Jeans, band sich ihre Stiefel wieder zu und schob sich den Revolver in den Hosenbund. Damit er nicht zu sehen war, zog sie eine leichte Baumwollbluse über; ihre übrige Kleidung stopfte sie in den Koffer, zog den Reißverschluss zu und stellte ihn in eine Ecke des Abteils. Unentschlossenheit stieg in ihr
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