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Gehetzt

Titel: Gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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auffuhren. Einer der Bewohner erschoß aus einem Haus einen deutschen Soldaten im Turm eines Panzers. Daraufhin belegten sie den ganzen Platz mit Streufeuer aus ihren Maschinengewehren. Meine Schwester kam dabei um. Diese verdammten Boches!«
    Der Junge spie das Wort regelrecht aus.
    »Das tut mir sehr leid, Jacques«, sagte Barnes sanft. »Aber was machst du hier in dieser Gegend?«
    »Ich muß doch meinem Vater zu Hause sagen, was geschehen ist. Ich lebe in Lemont – in der Nähe von Gravelines.« Seine Stimme klang vorwurfsvoll. »Das habe ich Ihnen doch schon alles erzählt. Ich werde ein paar Deutsche umbringen, sobald ich meinen Vater benachrichtigt habe.«

    »Das würde ich mir an deiner Stelle noch mal gut überlegen. Um Deutsche umzubringen, braucht man Geschicklichkeit und Übung.«
    »Nicht, um einem von den Schweinen in einer dunklen Straße ein Messer in den Rücken zu jagen.«
    Der Junge sagte diese Worte völlig leidenschaftslos, mit schmalen Lippen.
    ›Er meint, was er sagt‹, dachte Barnes, ›und er erledigt es kalt und genau kalkuliert. Das ist der Junge, der eine Bande Gleichaltriger dazu anstiftete, ein Drahtseil quer über die Straße zu spannen, um einen deutschen Kradmelder zu töten.‹
    »Eigentlich könnte ich auch mit euch kommen«, bot Jacques plötzlich an.
    »Vielen Dank, aber das geht nicht.«
    Jacques sah zu Colburn hinauf, der den Kopf aus dem Fenster steckte und ihrem Gespräch lauschte. Er runzelte die Stirn.
    »Wer ist das?« fragte er Barnes.
    »Ein Soldat, den wir unterwegs aufgelesen haben.«
    »Und wo ist Mister Penn?«
    »Tot.«
    »Das tut mir leid, denn ich mochte ihn. Er war so lustig. Ist das das richtige Wort?«
    »Ja, so könnte man sagen.«
    »Und Sie wollen nicht, daß ich mit Ihnen komme?«
    »Nein, leider. Du fährst besser zu deiner Familie nach Lemont.«
    »Die Straße hier führt nach Calais und nach Gravelines. Sie wollen also zu einem dieser Orte. Nach Calais vielleicht?«
    »Vielleicht.«
    »Ich könnte zumindest ein Stück voraus fahren und Sie gegebenenfalls warnen, wenn Gefahr im Verzug ist.«
    »Kein guter Vorschlag, Jacques. Du befändest dich dann im Kreuzfeuer zwischen uns und den Deutschen.«

    »Das wäre mir egal. Aber auch das wird Sie sicher nicht umstimmen.«
    Der Junge überlegte einen Moment.
    »Sie fahren zur Zeit auf der Hauptstraße, der gefährlicheren Strecke. Wenn Sie nach Calais wollen, verrate ich Ihnen eine andere Straße, die von dieser hier abzweigt und meiner Meinung nach wesentlich sicherer ist. Die Deutschen rechnen nicht damit, daß jemand von dieser Seite kommt. Ich zeige euch den Weg, mache kurz vor Calais kehrt und fahre dann zurück nach Lemont.«
    Seine Stimme wurde sanft.
    »Selbst wenn Sie wollten, könnten Sie mich nicht daran hindern, vor Ihnen herzufahren, Sergeant Barnes, nicht wahr?«
    Widerwillig mußte Barnes ihm recht geben. Außerdem konnte es nicht lange dauern, bis der Junge von den Deutschen bei irgendeiner Dummheit erwischt wurde. Da war es schon besser, ihn bis zu seiner Einberufung in wenigen Monaten mit etwas Glück hinter die alliierten Linien zu schaffen, wo er dann bleiben konnte, bis der Schock über den Tod seiner Schwester sich etwas gelegt hatte.
    Als einzige Alternative zu der Hartnäckigkeit des Jungen bliebe sonst nur die Möglichkeit, ihm den Zündschlüssel wegzunehmen und den Jungen am Straßenrand zurückzulassen. Das wollte der Sergeant aber auf keinen Fall.
    Also gab er Jacques genaue Anweisungen: Er solle ständig in einem Abstand von mindestens zweihundert Metern vor ihnen herfahren und sofort aus dem Auto springen und die Beine in die Hand nehmen, wenn sie in Schwierigkeiten gerieten.
    Barnes stieg ein und beobachtete, wie Jacques zum Renault zurückging.
    »Mir gefällt das nicht«, sagte er zu Colburn. »Aber wenn er den Abstand ständig beibehält, sieht’s wenigstens nicht so aus, als würde er uns den Weg weisen.«

    »Es ist Krieg, und der Junge machte auf mich einen ganz vernünftigen Eindruck. Hätten Sie ihn jetzt fahren lassen, würden die Deutschen ihn bestimmt bald bei einer seiner Racheaktionen schnappen. Wär schade um ihn.«
    »Fahren Sie los, Reynolds«, befahl Barnes.
    Seit dem Auftauchen von Jacques lastete die Spannung wie ein drückendes Gewicht auf den Männern. Keiner sprach ein Wort. Barnes bemerkte schließlich, daß er seine Maschinenpistole seit ihrer Abfahrt krampfhaft umklammert hielt. Er ließ Jacques’ Rücklichter keinen Augenblick lang aus den Augen. Im

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