Gehetzt
bleiben. General von Bock will das britische Expeditionskorps von Belgien aus angreifen. Ich vermute, General von Rundstedt macht sich Sorgen wegen der Einsatzbereitschaft der Panzer und hält uns deswegen zurück.«
»Dürfte ich den Funkspruch mal sehen?«
Storch nahm das Blatt und überflog es’ mehrere Male.
Schließlich sagte er mit zynischem Blick: »Ich lese hier nichts von dem, was Sie mir da erzählen. Der Funkspruch ist tatsächlich sehr verstümmelt.«
Meyer holte tief Luft. »Als ich vor einigen Tagen in Ihrer Abwesenheit mit von Rundstedt am Feldtelefon sprach, erläuterte er mir seinen Standpunkt. Er will die Panzerstreitkräfte gegen die Franzosen südlich der Somme einsetzen.«
»Ja, das habe ich gehört.«
Storch schien mit den Gedanken nicht bei der Sache.
»Ich hörte von Keller, daß diese überflutete Straße frei ist. Bis zum Einbruch der Dunkelheit hat unsere Patrouille die Hälfte der Strecke ohne jegliche Feindberührung abgefahren. Für die Nacht habe ich sie nach Lemont zurückbeordert.«
»Das hört sich ja alles recht vielversprechend an«, räumte Meyer zögernd ein.
»Die Straße steht tatsächlich unter Wasser und ist nicht zu sehen.« Storch lächelte. Der General wirkte frisch und ausgeruht, als sei er gerade aus einem erholsamen Schlaf aufgewacht. Meyer fühlte sich dagegen erschöpft und ausgelaugt.
»Die Straße nach Dünkirchen ist also wirklich frei, Meyer. Selbst bei einem vorsichtigen Vorstoß können unsere Panzereinheiten zwei Stunden nach dem Morgengrauen in Dünkirchen sein. Dann haben wir das ganze britische Expeditionskorps eingekesselt. Über eine Viertelmillion Soldaten sitzen dann in der Falle.«
»Aber der Funkspruch des Generalstabs…«
»Damit kommen wir durch, Meyer. Er ist stark verstümmelt.
Die letzte Order, die wir erhielten, war hingegen eindeutig: Zur Küste vorstoßen und die Häfen besetzen. Genau das werden wir tun – den letzten Hafen besetzen. Dünkirchen.«
»Ich habe dem Funker befohlen, den Funkspruch nochmals abzufragen.«
»Damit würde die Verwirrung nur noch größer. Ziehen Sie den Befehl zurück.«
Storch wartete, bis Meyer telefonisch seinen Befehl zurückgenommen hatte. Zögernd legte der Oberst den Hörer wieder auf die Gabel.
»Was macht Ihnen denn wirklich Sorgen, Meyer?«
»Das Munitionsdepot für dieses Gebiet. Die riesigen Munitionsbestände in diesem von den Kanälen ziemlich eingeengten Gebiet…«
»Sie haben genügend Nachschub für die Operation?«
»Viel zuviel, fürchte ich.«
»Munition kann man nie genug haben«, wies ihn der General zurecht und drückte sich die Mütze auf den Kopf. »Wir melden zurück, der Funkspruch sei völlig verstümmelt eingegangen und deshalb bedeutungslos. Bestätigen Sie dem Stab meinen Befehl zum Angriff auf Dünkirchen. Lassen Sie die Kopie von einem Melder überbringen – aber erst in einer Stunde.«
Der Oberst schluckte. Wie immer hatte der General an alles gedacht. Wenn der Stabswagen mit der Meldung im Hauptquartier eintraf, rollten die Panzer schon über die geflutete Straße.
»Aber das Hinterland«, wandte Meyer ein. »Wir sind im Rücken völlig ungeschützt, weil wir alles nach Norden und Osten werfen.«
»Ganz richtig, Meyer. Die Engländer sind vor uns, nicht hinter uns. Wir rücken wie besprochen im Morgengrauen vor.«
Die Uhr an Meyers Arm zeigte 0.10 Uhr.
Bei seiner Höllenfahrt durch die Nacht schleuderte der Transporter über die ganze Straßenbreite hin und her.
Reynolds versuchte verzweifelt, den deutschen Laster am Überholen zu hindern. Wieder hatte die Gefahr ohne Vorwarnung ihr häßliches Haupt erhoben.
Barnes warf einen Blick auf die Uhr. Es war 0.15 Uhr.
Reynolds hatte als erster die Scheinwerfer hinter ihnen bemerkt, die rasch näher kamen, und die anderen gewarnt.
Seiner Meinung nach handelte es sich wieder um einen Truppentransporter. Barnes’ sechster Sinn sagte ihm, daß sie ihr voriges Täuschungsmanöver wohl kaum wiederholen konnten. Hinter ihnen ertönte immer wieder die Hupe. Eine Zeitlang hängte sich der Laster geduldig an ihre Rücklichter.
»Scheint so, als wollten sie unbedingt ein Wörtchen mit uns reden«, meinte Colburn.
»Das denke ich auch«, murmelte Barnes. »Ich verstehe nur nicht, wieso sie sich so schnell an uns dranhängen konnten.«
»Die Straßensperre – jemand hat Alarm geschlagen und uns diese Meute auf den Hals gehetzt.«
Reynolds warf einen Blick in den Rückspiegel.
»Er versucht, uns zu
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