Gehetzt
Wahnsinnsfahrt um den Felsen im Fluß. Es war jetzt kaum sechs Uhr morgens, und Penns Moral hatte schon ihren Tiefpunkt erreicht. Hinzu kam, daß er sich schmutzig fühlte, unrasiert und hungrig war. Nicht einmal einen Schluck Wasser hatte er seit ihrem Aufbruch von der Brücke zu sich nehmen können.
»Ich werde mal nachsehen«, sagte Barnes ruhig. »Sie bleiben hier und zählen die Fahrzeuge – von dem Panzer an, der gerade auf die Brücke fährt.«
»Wenn Panzer den Fluß heraufkommen, werden sie uns entdecken.«
»Warten Sie hier.«
Barnes blieb kaum fünfzehn Minuten weg, doch Penn schien es eine Ewigkeit. Da er dem Sergeant seine Uhr geliehen hatte, war ihm jegliches Zeitgefühl abhanden gekommen. Verdrossen begann er zu zählen, registrierte die Fahrzeuge auf der Brücke und lauschte auf das näherkommende Motorengeräusch flußabwärts. Die Bastarde haben uns in die Zange genommen, wir sitzen in der Falle zwischen zwei feindlichen Panzerspitzen, dachte er. Das mußte ja so kommen. Wir können ja nicht immer Glück haben…
Er drehte sich um, als er Barnes durch das Unterholz brechen hörte.
»Stimmt, es sind Panzer. Etwa hundert Meter weiter hinter der nächsten Flußbiegung überquert noch eine Brücke den Fluß. Eine zweite Kolonne passiert gerade den Übergang – wahrscheinlich die Flankensicherung.«
»Und wir sind die Wurst auf dem Sandwich.«
»So ähnlich. Unser Glück, daß wir hier angehalten haben, statt weiter flußabwärts vorzustoßen. Wir wären ihnen genau in die Arme gefahren. Der Fluß schlängelt sich durch offenes Gelände. Und wie immer haben sie auf der Brücke einen Posten aufgestellt. Der Bursche schaute gerade herüber, als ich meine Nase aus den Bäumen steckte.«
»Wir sitzen also fest.«
Penn machte eine Eintragung in Barnes’ Notizbuch. »Ich könnte einen Schluck vertragen, ehe Sie weitererzählen.«
»Ich bringe Ihnen Ihre Feldflasche mit.«
Barnes wollte gerade die Böschung hinuntersteigen, als er mitten in der Bewegung erstarrte. Ein unförmiges Gebilde trieb am Panzer vorbei und wurde von der schnellen Strömung in der Flußmitte erfaßt. Reynolds bemerkte es nicht, weil er die Motorhaube aufgeklappt hatte und mit dem Rücken zum Wasser kniete. Doch Penn hatte es gesehen und fluchte kräftig.
»Die Leiche des Postens. Der Deutsche drüben auf der Brücke müßte schon blind sein, um sie zu übersehen.«
»Sie bleiben, wo Sie sind.«
Barnes stolperte die Böschung hinunter und rannte am Ufer hinter dem Toten her. Es war mühsam, denn er mußte die Füße jedesmal hoch anheben, um nicht in dem Gestrüpp hängenzubleiben. Die schiere Verzweiflung verlieh ihm ungeahnte Kräfte. Sie hatten aber auch verdammtes Pech. Bis jetzt war alles so einfach erschienen. Sie hätten bloß die Köpfe unten zu halten und sich so lange unsichtbar zu machen brauchen, bis die Panzerkolonnen auf beiden Straßen nach Norden verschwunden waren. Und jetzt das!
Es war, als spielten die Fluten ihnen einen Streich, als wollten sie ihre Rettung und Sicherheit davonspülen. Wie, zum Teufel, hatte das passieren können? Der Körper des Postens mußte an irgend etwas hängengeblieben sein, bis ihn die Flußströmung freischwemmte. Barnes war nach Heulen zumute, doch er lief mit gesenktem Kopf weiter, hob ihn nur, um ab und zu einen Blick auf den dahintreibenden Körper zu werfen, dessen deutsche Uniform deutlich zu erkennen war.
Die Leiche schwamm bäuchlings im Wasser, nur Schultern, Rücken und Beine ragten über die Oberfläche. Nicht einmal der dümmste Offizier würde lange rätseln müssen, wieso der Leichnam ausgerechnet in diesem Flußstück zwischen den beiden Brücken auftauchte, die die Wehrmacht gerade überquerte.
Barnes lief schneller, stürzte aber nach wenigen Schritten der Länge nach hin. Er rappelte sich wieder auf, spürte kaum die Dornen und das Gestrüpp, an denen er sich die Hände blutig riß. Doch seine Schulterwunde begann heftig zu schmerzen. Er fluchte und rannte verzweifelt weiter. Er mußte die Leiche vor der Flußbiegung abfangen, ehe sie ins Blickfeld des Postens geriet, der immer wieder herüberschaute. Erneut stürzte Barnes, rappelte sich wieder auf und lief weiter. Am Anfang der Biegung blieb er stehen. Der Körper trieb in der Flußmitte.
Jetzt kam es darauf an. Barnes zog hastig die Stiefel aus, schlüpfte aus dem Kampfanzug und sprang ins Wasser. Die Kälte nahm ihm einen Moment die Luft, doch der Sergeant atmete tief durch und schwamm
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