Gehirnwaesche - Die Aasgeier - Streit bis aufs Blut
und in jeder saßen sich ein Häftling und ein Besucher, getrennt durch eine Panzerglasplatte, gegen über und unterhielten sich durch Mikrophone.
Der Oberwärter setzte Chavasse in eine Kabine, und während er ungeduldig wartete, hörte er um sich leises Stimmengewirr. Dann ging die gegenüberliegende Tür auf, und Jean Frazer trat ein. Sie trug eine weiße Nylonbluse und ein Tweedkostüm. Merkwürdig, er hatte noch nie bemerkt, wie hübsch sie eigent lich war. Ihr Lächeln verschwand, als sie sich auf den Stuhl im anderen Teil der Kabine setzte. »Mein Gott, Paul, was haben sie denn bloß mit dir gemacht?«
Ihre Stimme klang über den Lautsprecher leicht verzerrt. Er lächelte. »Sehe ich denn so schlecht aus?«
»Schrecklich. Kaum wiederzuerkennen.«
Plötzlich stieg Wut in ihm auf, und er sagte mit gepreßter Stimme: »Herrgott noch mal, Jean, was glaubst du denn, wie’s hier drin zugeht? Ich bin nicht Paul Chavasse, der einfach eine Rolle spielt und abends heimgeht. Ich bin Paul Drummond und sitze sechs Jahre für einen bewaffneten Raubüberfall ab. Vier Monate bin ich jetzt hier. Ich denke wie ein Ganove und benehme mich wie ein Ganove. Und die Hauptsache – ich werde wie ein Verbrecher behandelt. Sag Graham Mallory, ich laß mich vielmals bei ihm bedanken.«
In ihren Augen lag echte Verzweiflung. Sie vergaß ganz das Glas und streckte die Hand nach ihm aus. »Mein Gott, wenn ich dir doch nur helfen könnte.«
Er grinste. »Nur gut, daß das Glas zwischen uns ist. Du siehst zum Fressen hübsch aus, von allem anderen im Moment mal abgesehen.«
Sie lächelte mühsam. »Wirklich?«
»Na ja, lassen wir das. Übrigens, wie geht’s denn Mallory?«
»Er ist nett und charmant wie immer. Er läßt dir sagen, du sollst zusehen, daß du endlich mal weiterkommst. Anscheinend hat er einen anderen Job für dich, und diese Sache hier dauert ihm schon zu lange.«
»Leider kann ich einer Dame nicht zumuten, ihm auszurich ten, was ich ihm darauf gern sagen würde. Na ja, kommen wir zum Wesentlichen. Wir haben nur zehn Minuten Zeit.«
»Wie verstehst du dich mit Youngblood?«
»Prima – heute hab ich sogar jemand davon abgehalten, ihm einen spitzen Gegenstand zwischen die Rippen zu rennen.«
»Ich dachte, man steckt Leute ins Gefängnis, um zu verhin
dern, daß sie so was tun?«
»Theoretisch ja – aber die Wirklichkeit sieht, wie so oft, anders aus.«
»Hast du irgendwas über den Baron herausgekriegt?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe andere Häftlinge über ihn reden hören, aber keiner hat eine Ahnung, wer er ist. Ich habe natürlich versucht, von Youngblood etwas über ihn zu erfah ren. Ich sagte ihm, ich hätte gehört, Saxton und Hoffa wären von dem Baron herausgeholt worden. Doch er meinte, das wären doch alles nur Märchen.«
»Dann war bis jetzt also alles umsonst?«
»Aber keine Spur. Youngblood hat garantiert vor, demnächst auszubrechen. Ich bin felsenfest davon überzeugt. Er hat zwar nichts dergleichen gesagt, aber alles deutet darauf hin. Sein ganzes Benehmen, Bemerkungen, die er machte, und so wei ter.«
»Du hast keine Ahnung, wie und wann?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht die leiseste. Ich weiß nur, daß irgendwas in der Luft liegt.«
Sie sah ihn ungläubig an. »Bist du dir wirklich so sicher, Paul? Ich habe mich über dieses Zuchthaus informiert. Es ist völlig unmöglich, hier rauszukommen.«
»Er wird ausbrechen – da gibt’s überhaupt keinen Zweifel.«
»Du wirst es natürlich verhindern.«
»Aber ganz im Gegenteil«, sagte Chavasse grinsend. »Er weiß noch nichts davon – aber ich werde mit ihm zusammen ausbrechen.«
Sie starrte ihn zweifelnd an, doch als sie den Mund aufmach te, um zu antworten, trat ein Wärter ein. »Die Zeit ist um, Miß.«
Sie stand auf. »Alles Gute, Paul. Paß auf dich auf.«
»Du auch«, sagte er und folgte dem Wärter.
Die Mahlzeiten wurden in Fridaythorpe in einer Kantine im zweiten Stock eingenommen. Als Chavasse eintrat, saßen die anderen schon beim Mittagessen. Der diensthabende Beamte hakte ihn auf der Liste ab, und er ging zur Theke und ließ sich sein Tablett füllen. Youngblood saß am ersten Tisch neben der Wand. Er deutete auf den leeren Platz neben sich. »Du hast eine Schwester?« fragte er, als Chavasse sich setzte. »Du hast mir nie von ihr erzählt.«
»Ich dachte, sie will nichts mehr von mir wissen«, sagte Cha vasse. »Für sie bin ich ein
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