Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
Als Opfer war Popic auserkoren, doch band er mit einer weit ausholenden Geste auch den Rest der Welt mit ein. „In Kairo hab ich mal was erlebt, du glaubst es nicht.“
Niemand machte dahingehend eine Bemerkung, daß er endlich erzählen solle, daß man vor Neugier schier platze und man es kaum noch aushalten könne, wenn er nicht bald beginne.
Doch genau das vermeinte der härteste aller Traveller aus der Stille herauszuhören. Frohen Mutes begann er: „Es war damals mitten in der Nacht in der Nähe vom Bahnhof ...“
„Schnauze Keule“, fuhr ihm Uzi blitzschnell über den Mund, bevor da etwas anbrennen konnte, „du nervst.“
„Ich nerve?“ fragte Johnny, der bis dahin geglaubt hatte, was auch immer er vorzubringen habe, sei von staatstragender Relevanz, und das erste Mal so etwas wie Sensibilität erkennen ließ, die bestimmt vom Dope herrührte.
„Ja, du nervst sogar gewaltig. Deine Geschichten sind nämlich megalangweilig. Frag einfach mal rum, ob die einer hören will.“
Das war jetzt aber hochnotpeinlich und gar nicht lieb von Uzi gewesen. Der Traveller schaute sich suchend aber nicht findend nach einem nach Wissen dürstenden Publikum um. Doch hartnäckiges Schweigen allenthalben. Yoko und Kogyo kuschelten, was ja noch halbwegs entschuldbar war, was sollten sie auch mit einer auf deutsch erzählten Kairo-Story anfangen. Oma Hoffmann strickte eine Spur schneller, wobei die Handschellen rhythmisch rasselten. Popic sah an die Decke, Kuli im Mundwinkel, als hinge sein Leben an einer besonders gelungenen Formulierung. Die Filialleiterin zählte nach wie vor nicht und Herr Schweitzer besah sich seine Fingernägel.
„Na siehst du“, streute Uzi weiter Salz in die Wunde.
Der Globetrotter errötete ob dieser niederschmetternden Abstimmungsniederlage über und über. Herr Schweitzer fühlte mit Johnny, sagte sich aber, daß der seelische Schaden geringfügig war im Vergleich zu dem, was man sich womöglich holte, falls man tagein, tagaus die Geschichten dieser irgendwie kaputten Existenz zu ertragen hatte. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Nur gut, daß er selbst nicht reiste, dachte Herr Schweitzer, was einem da so alles passieren konnte. Außerdem hat’s doch alles auch in Deutschland. Seen, Meer, Berge, Auen, Wiesen und Wälder. Und wer auf Wüste steht, der geht einfach nach Offenbach, da gibt’s eine zivilisatorische.
Annie Landvogt bekam so langsam eine ungefähre Vorstellung von Macht. Viel schneller als erwartet hörte nun alles auf ihr Kommando. Das lag teilweise aber auch daran, daß in dem nach des Generals spektakulärem Ableben entstandenem Tohuwabohu niemand wirklich die Initiative ergreifen wollte. Zwar erntet der Mensch gerne Lorbeeren, aber was dafür zu tun, war er selten bereit. Wenn man so will, hatte die Oberkommissarin doch recht leichtes Spiel gehabt, was aber nicht ihren Mut schmälern sollte. Allerdings war der Schachzug, ihren Kollegen Kaschtaschek ins Bett zu schicken, ausgesprochen genial. Nun darf man sich das nicht so vorstellen, daß sie sagte: „Bub, putz dir die Zähne, es ist jetzt Zeit für die Heia“, vielmehr hatte sie unter Aufbietung sämtlicher, ihr innewohnenden Subtilität den Vorschlag unterbreitet, es wäre doch vielleicht klüger, wenn er, Oberkommissar Kaschtaschek, sich für ein paar Minuten hinlegte, bestimmte braucht er nur wenige Augenblicke, um hernach wieder ganz der Alte zu sein.
Das Ehepaar Blau hatte dafür bereitwillig das ehemalige Zimmer ihres Sohnes, das heute als gelegentliche Bettstatt für das Enkelchen diente, zur Verfügung gestellt. Frau Blau war mütterlich besorgt.
Kaschtaschek, käseweiß und bar jedweder Blutzirkulation, war dafür sehr dankbar gewesen. Und so schlummerte er nun friedlich zwischen einem Teddy mit Tirolerhut, einem putzigen Esel und einem weniger putzigen, aber domestizierten Plüschkrokodil.
Ein Zinksarg mit altbekannter Leiche wurde gerade zur Tür herausgetragen. Einer der Träger war Kai Sender, der sich mit Tränen in den Augen diese Aufgabe nicht hatte nehmen lassen. Unsagbare Trauer war auch dem Ehepaar Blau ins Gesicht geschrieben, denn der General, den nun nichts mehr erschüttern konnte, war ja auch Staatsbediensteter und somit sozusagen ein Kollege gewesen. Zusammen mit ein paar führungs- und orientierungslosen Bundeswehrangehörigen stand man Spalier. Zum Abschied wurde standesgemäß, rechte Hand an Schläfe, gegrüßt, denn schließlich war der General Vorgesetzter. Und
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