Geister der Vergangenheit
blieb nichts anderes übrig, als in sein Büro zurückzugehen, wo Fiona Rush auf ihn wartete. In der Mitte des Vorzimmers stoppte er seine Schritte.
Etwas lag auf dem Boden. Es war ein zusammengefalteter Zettel, den er zuvor hier nicht hatte liegen sehen. Suko hob ihn auf und faltete ihn auseinander. Im nächsten Augenblick schüttelte er den Kopf. Seine Stirn legte sich in Falten, und mit leiser Stimme las er den Text vor. »Heute Abend am Richtplatz!«
Das war für Suko etwas zu hoch, obwohl die Botschaft nur aus einem Satz bestand. Er wusste nicht, was er damit anfangen sollte und holte zunächst tief Luft. Zugleich fragte er sich, wem sie überhaupt gegolten hatte. Sicherlich in erster Linie seiner Besucherin. Sie musste ihm weiterhelfen.
Wenig später saß Fiona Rush wieder auf dem Besucherstuhl. Ihr Gesicht hatte einen völlig anderen Ausdruck bekommen. Es war starr geworden. Der Schrecken stand darin wie eingemeißelt.
Sie schien Suko gar nicht zu sehen. Hin und wieder schüttelte sie den Kopf, und erst als sie angestoßen wurde, schaute sie Suko an.
Er lächelte und hoffte, dass es der Frau gut tat.
»Ist es wirklich weg?«, hauchte sie.
»Ja.«
»Und wohin?«
»Ich weiß es nicht.« Suko hob die Schultern. Er wollte Fragen stellen. Als Fiona Rush anfing zu weinen, hielt er sich damit zurück. Sie sollte zunächst wieder zu sich selbst finden.
Das Taschentuch hielt sie bereit. Zu Suko’s Beruhigung verschwand der Anfall so schnell wie er auch gekommen war. Es blieben nur die roten Augen und die Ringe darunter.
»Wenn Sie mich jetzt fragen wollen, was dieses Skelett angeht, dann muss ich Ihnen leider eine Antwort schuldig bleiben. Ich weiß nicht, warum ich verfolgt werde.«
»Aber es muss einen Grund geben.«
»Ja, ja!«, rief sie. »Aber welchen denn, verdammt? Ich habe ein völlig normales Leben geführt, und ich bin mit derartigen Dingen niemals in Berührung gekommen. Das müssen Sie mir glauben, Inspektor. Ich weiß einfach nicht, warum ich von diesem... diesem... Ungetüm verfolgt werde. Ich weiß praktisch so viel wie Sie.«
»Das glaube ich Ihnen«, versicherte Suko mit ruhiger Stimme. Dann schenkte er der Frau einen Schluck Wasser ein. Sie trank und nickte dem Inspektor dankbar zu.
»Was soll ich denn nur machen?«, murmelte sie.
»Ich denke, dass wir Zusammenarbeiten sollten.«
»Ach. Und wie haben Sie sich das vorgestellt?«
»Das werden wir sehen, Fiona. Außerdem ist das Skelett nicht ohne eine Botschaft hier erschienen. Ich denke sogar, dass sie für Sie bestimmt ist.«
»Welche Botschaft denn?« Fiona war aus ihrer Lethargie herausgerissen worden und schaute zu Suko hoch.
Suko hatte die Botschaft auf den Schreibtisch gelegt. Jetzt nahm er den Zettel wieder an sich und faltete ihn auf.
»Möchten Sie es lesen?«
»Bitte.« Fiona Rush nahm das Papier mit zittrigen Fingern an sich und schaute auf den Text. Ziemlich lange sogar, und wahrscheinlich las sie ihn mehrere Male, bevor sie sich zu einer Reaktion aufraffte.
»Heute Abend am Richtplatz?«
»Genau. Können Sie damit etwas anfangen?«
»Nein, Inspektor, das kann ich nicht.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Sind Sie denn sicher, dass die Botschaft an mich gerichtet ist? Kann es nicht auch anders gewesen sein?«
»Nein, er war vor einer Stunde noch nicht da. Ich musste ihn vom Boden aufheben.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Dann sagt Ihnen der Begriff Richtplatz nichts?«, fragte Suko.
»Nein. Außerdem habe ich mit derartigen Begriffen noch nie etwas zu tun gehabt. Ein Richtplatz ist wohl ein Ort, an dem Menschen hingerichtet werden.«
»Davon können wir ausgehen.«
»Schrecklich...«
»Sie sagen es, Fiona. Und trotzdem kann ich einfach nicht an einen Zufall glauben. Diese Botschaft hat etwas mit dem Erscheinen des Skeletts zu tun und zugleich mit Ihnen. Auch wenn ich noch keine Verbindung sehe, gehe ich davon aus, dass es eine gibt.«
Fiona Rush wischte sich über die Augen. »Aber ich kann Ihnen nicht dabei helfen, den Ort zu finden. Bitte, das müssen Sie mir einfach glauben. Das ist auch nicht gespielt.«
»Sie kennen auch keinen Ort hier in der Stadt oder außerhalb, der in der Vergangenheit ein Richtplatz gewesen ist? Oder irre ich mich da?«
»Bestimmt nicht. Mit so etwas habe ich nichts zu tun gehabt und möchte ich auch nichts zu tun haben.«
»Das kann ich Ihnen leider nicht garantieren«, warnte Suko. »Aber ich kann Ihnen versprechen, dass wir Sie nicht allein lassen.«
»Danke. Aber wollen
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