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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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bist ein verdammter Snob, Doyle, weißt du das?« Die Worte purzelten ihr viel zu schnell aus dem Mund. Doyle war tatsächlich ein Snob, sogar ein unerträglicher Snob, und sie verstand nicht, weshalb sie das nicht schon längst bemerkt hatte. Das Valtruin ließ sie wohl an allen Leuten ganz neue Seiten entdecken, was? »Du kennst ihn doch überhaupt nicht, du weißt überhaupt nichts über ihn, er ist nicht dumm, und bloß weil du deine Vorfahren bis anno dazumal zurückverfolgen kannst und -«
    »Hey, immerhin hab ich nicht die Angewohnheit, krank aussehende obdachlose Kinder in meine Wohnung zu schleppen und ständig auf diesem abgefuckten Markt rumzuhängen.«
    Brain. Ach du dicke Scheiße, sie hatte Brain komplett vergessen! Sie hatte den ganzen Tag nicht mal daran gedacht, nach ihm zu suchen, und hatte nicht mal Terrible gefragt, ob er ihn vielleicht gesehen hatte.
    Brain war abgehauen, als Doyle bei ihr aufgetaucht war. Brain war gerade drauf und dran gewesen, ihr etwas zu erzählen - nämlich, was er auf dem Flugplatz gesehen hatte -, als Doyle spontan mit Frühstück bei ihr vorbeigekommen war. Und er hatte ängstlich ausgesehen, nicht wahr? Sie versuchte sich diese Szene noch einmal ins Gedächtnis zu rufen und meinte sich zu erinnern, dass Brain große Augen bekommen und sich Schweiß auf seiner Oberlippe gezeigt hatte.
    Brain hatte Doyle auf dem Flugplatz gesehen. Das musste es sein. Doyle hatte ganz ähnliche Tattoos wie sie. Er wusste, wo sie wohnte, und er wusste, dass sie mit dem Amulett in Kontakt gekommen war - er hatte ihr ja schließlich die verdammten Würmer aus der Hand gezogen.
    Doyle hätte also auch gewusst, dass sie Nachforschungen zum Thema Ereshdiran anstellen und dazu spätabends die Bibliothek aufsuchen würde. Nein, er steckte nicht in der Aufzugkabine fest, aber sie wusste ja auch gar nicht, ob sie ihren Verfolger tatsächlich darin eingesperrt hatte.
    War es eben auch schon so stickig in diesem Wagen gewesen?
    Doyle? Doyle bei den Lamaru? Doyle sollte einen Ritualmord begangen haben?
    Doyle hatte sie berührt, hatte sie geküsst, war mit ihr ins Bett gegangen. Einen Moment lang kamen ihr die Schatten im Wageninnern wie Blutspuren vor, die sich über ihre Haut zogen. Und sie hatte nicht den leisesten Verdacht gehabt. Hatte ihn vielmehr angerufen und gebeten, sie zu fahren, in dem Glauben, dass er immerhin ein Freund sei, ein anständiger Mensch, trotz der Streitigkeiten zwischen ihnen beiden, und hatte sich damit komplett getäuscht. Die Erkenntnis schnürte ihr die Kehle zu, sie machte ihr Bauchschmerzen.
    »Da wären wir«, sagte sie und gab sich Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. »Du kannst mich hier rauslassen.«
    Er bremste so abrupt, dass Chess nach vorn geworfen wurde und gegen das Armaturenbrett prallte. »Das war’s jetzt? Ich soll dich einfach hier rauslassen? Und es ist dir ganz egal, dass ich gerade versuche, mit dir zu sprechen, und dass du mir jetzt echt was schuldig bist? Ich bin für dich also wirklich weiter nichts als ein popeliger Chauffeur, ja? Ist dir eigentlich nicht klar, dass die meisten Mädels sich riesig freuen würden, wenn ich mit Frühstück bei ihnen vorbeikäme? Ahnst du überhaupt, wie viele unserer Kolleginnen ständig bei mir anrufen?«
    »Nein, nein, ich ... ich brauchte einfach jemanden, der mich fährt, und hier muss ich jetzt raus, okay?« Auf der regengepeitschten Straße war außer Dunkelheit nichts zu sehen. Nicht unbedingt der angenehmste Ort, um allein herumzulaufen, aber wenn sie mit Doyle Recht hatte, war ihr das egal. Sie wollte nur noch aus diesem Wagen raus.
    »Nein, es ist nicht okay. Du nutzt die Menschen aus, weißt du das? Das ist alles, was du machst, alles, was du kannst. Und ich weiß nicht, wie du auf die Idee kommst, mich so behandeln zu können, aber das kannst du dir jetzt jedenfalls abschminken.«
    Ihr Herz pochte so heftig, dass sie fürchtete, er könnte es hören. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Es ist nur ... Ich habe gerade unheimlich viel um die Ohren. Ich rufe dich morgen an, okay? Und vielleicht können wir dann ja was unternehmen. Aber jetzt muss ich wirklich los, mein Freund wartet auf mich.«
    »Freund? Oder auch nur so ein schneller Fick?«
    Wenn sie sich einen Moment Zeit zum Nachdenken gelassen hätte, hätte sie sich zusammengerissen, und es wäre nicht dazu gekommen. Wenn sie nicht wegen des Vorfalls mit Terrible vor Angst und Seelenpein völlig außer sich gewesen wäre, und wenn sie nicht wegen der

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