Geisterlicht: Roman (German Edition)
einen leisen Seufzer ausstieß, sah Fiona sie besorgt von der Seite an. Wie es aussah, hatte Dawn sich geradezu in die Idee verrannt, Aidan MacNaughtons Frau zu werden. Blieb zu hoffen, dass Aidan ebenso begeistert von dem Gedanken war und in Dawn mehr als nur eine nette Nachbarin sah, deren Telefon er gelegentlich benutzen durfte.
»Die ersten zehn Kapitel sind fertig«, wiederholte Aidan und deutete wie zum Beweis auf den Flachbildmonitor, der auf dem riesigen Schreibtisch aus dunklem Eichenholz seltsam fehl am Platz wirkte. Ebenso wie die ergonomisch geformte Tastatur und die kabellose Maus. Den Rechner in seinem schwarzen Gehäuse hatte er neben dem Schreibtisch auf den Boden gestellt, wo er nicht auffiel.
»Als du dich hierher zurückgezogen hast, waren schon neun Kapitel auf der Festplatte«, erinnerte Scott ihn. »Das ist jetzt sechs Wochen her. Dein Abgabetermin war übrigens vor drei Monaten.«
»Ich weiß, Scott. Und ich weiß, dass du als mein Lektor dafür verantwortlich bist, dass der Roman so bald wie möglich auf den Markt kommt. Aber schließlich und endlich kannst du die Worte nicht aus mir herausprügeln, nicht wahr? Das wird auch dein Chef verstehen. Sag ihm, ich hätte eine Schreibblockade. Das passiert doch jedem Autor früher oder später mal.«
Aidan wich dem strengen Blick seines Lektors aus, der seit seiner ersten, sehr erfolgreichen Romanveröffentlichung vor drei Jahren auch sein bester Freund war, und schaute aus dem Fenster seines Arbeitszimmers.
»Schreibblockade?« Scott schnaubte verächtlich. »Das ist doch nur eine Ausrede! Hast du schon mal was von einer Hämmerblockade bei Zimmerleuten gehört? Nicht mal Kunstmaler haben eine Malblockade. Setz dich einfach hin und schreib die Geschichte fertig, Aidan! Lass dich nicht ablenken. Denk an nichts anderes, nur an deinen Roman.«
»Wie du weißt, habe ich hier nicht einmal einen Telefonanschluss, damit ich nicht abgelenkt werde«, erinnerte Aidan ihn. »Und das Handy funktioniert auch nicht. Die ganze Gegend ist ein einziges Funkloch.«
»Na, ist doch bestens. Obwohl ich eher den Verdacht habe, dass du hier telefonisch nicht zu erreichen bist, damit ich nicht anrufen und dich nach dem Fortgang deiner Arbeit fragen kann.«
Aidan brummte irgendetwas von sich hin und sah immer noch stur aus dem Fenster.
»Und was ist mit Lea?«, bohrte Scott weiter.
»Siehst du sie hier vielleicht irgendwo? Du kannst gern unter dem Schreibtisch nachsehen.«
»Ich weiß, dass Lea nicht hier ist. Schließlich hast du sie ja praktisch vor dem Traualtar stehen lassen. Ich glaube, du hast unter der geplatzten Hochzeit letzten Endes mehr gelitten als sie. Ich wollte nur wissen, ob du dir immer noch Vorwürfe machst.«
Aidan spürte den prüfenden Blick seines Freundes. »Das habe ich überwunden«, erklärte er, doch der Ton, in dem er diese Behauptung aufstellte, war längst nicht so energisch wie beabsichtigt. Gerade wollte Aidan erneut darauf hinweisen, dass doch immerhin die ersten zehn Kapitel geschrieben waren, als er ein kleines rotes Auto den Hügel heraufkriechen sah. »Ich bekomme Besuch«, erklärte er erleichtert. »Eine Lehrerin aus dem Dorf, bei der ich manchmal telefonieren darf.«
Interessiert schaute Scott aus dem Fenster. »Ist sie hübsch?«
»O ja! Sie sieht aus wie eine kleine Hexe mit feuerroten Haaren. Allerdings hat sie keine grünen, sondern braune Augen. Die grünen Augen hat ihre Schwester, die seit gestern zu Besuch ist. Trotzdem ähnelt Fiona eher einer hochgewachsenen Elfe als einer Hexe. Sie ist ruhiger und dunkelhaarig und …«
»Aidan, kann es sein, dass du frisch verliebt bist, und dich das von der Arbeit abhält?«
Aidan schüttelte heftig den Kopf. »Rothaarige Lehrerinnen sind nicht mein Typ.«
»Aber die Schwester ist dein Typ. Eine große, schlanke Brünette mit grünen Augen, ich bitte dich!« Scott ließ einfach nicht locker.
»Ich sagte doch schon, dass ihre Schwester erst gestern angekommen ist. Wir kennen uns nur sehr flüchtig.«
Scott kniff misstrauisch die Augen zusammen, sagte aber nichts mehr.
Inzwischen war Dawns kleines Auto vom Turmzimmer aus nicht mehr zu sehen. Sie parkte wahrscheinlich bereits vor dem Burgtor. Dennoch sahen die beiden Männer weiter aus dem Fenster und schwiegen.
»Willst du nicht aufmachen?«, erkundigte Scott sich schließlich.
»Die Tür ist offen. Und Dawn kennt sich aus. Sie weiß, wo sie mich findet.«
»Na, da bin ich ja gespannt«, murmelte Scott vor sich
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