Geisterlicht: Roman (German Edition)
Ahnung, wie ich es anstellen sollte …« Fiona stockte hilflos. Es konnte doch nicht wirklich sein, dass ein Auto stehen blieb, weil sie es sich insgeheim gewünscht hatte. »Der Wagen ist doch schon ziemlich betagt«, fügte sie hinzu. »Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass er nicht fährt, weil… beispielsweise der Anlasser nicht funktioniert.«
»Der Anlasser funktioniert nicht, weil du es nicht willst«, behauptete Dawn stur. »Nein, nein, die Frage ist: Was hast du gegen Aidan?«
Bevor Fiona bestreiten konnte, dass sie Aidan nicht mochte, klopfte es neben ihr an die Scheibe. Ein faltiges Gesicht mit funkelnden grauen Augen tauchte dicht vor dem Fenster auf.
»Mrs Connor«, seufzte Dawn. »Sie ist die Tratschtante des Dorfes. Wenn sie dich anspricht, musst du etwas unternehmen, um sie möglichst schnell loszuwerden, sonst versucht sie stundenlang, dich auszuhorchen. Pass mal auf, wie ich das mache.« Dawn machte Fiona ein Zeichen, die Scheibe herunterzukurbeln, und beugte sich mit einem verbindlichen Lächeln zu ihrer Nachbarin hinüber. »Hallo, Mrs Connor!«
»Guten Tag, Dawn. Wie ich sehe, ist Ihre Schwester eingetroffen. Gestern war ja auch wieder der junge Mann da. Und heute Morgen auch.«
Dawn lächelte nur und murmelte etwas vor sich hin.
»Was sagen Sie? Sie müssen deutlicher sprechen«, beschwerte Mrs Connor sich.
»Ich sagte, in Ihrem Haus klirrt es irgendwie so komisch. Könnte es sein, dass Sam wieder auf der Geschirrvitrine herumklettert?«, erkundigte Dawn sich nun mit deutlicher Stimme.
»Das kann nicht sein. Ich schließe jetzt immer die Tür zum Wohnzimmer ab«, behauptete die alte Frau mit verbissener Miene.
»Neulich hat Mrs Connors Kater nämlich etwas von ihrem guten Porzellan zerbrochen«, erklärte Dawn ihrer Schwester.
»Obwohl die Tür damals auch zu war«, fügte Mrs Connor finster hinzu.
In diesem Augenblick schepperte es im Nachbarhaus ohrenbetäubend. Mrs Connor stieß einen schrillen Schrei aus und stürzte ohne ein Wort der Verabschiedung auf ihr Haus zu.
Verblüfft schaute Fiona ihre Schwester an. »Warst du das?«
Dawn zuckte die Schultern. »Sie ist selber schuld. Allmählich müsste sie doch mal begreifen, dass immer irgendein kleiner Unfall in ihrem Haus passiert, wenn sie mal wieder über etwas meckert, was ihr an mir nicht passt. Aber ich lasse immer nur ein ganz kleines Geschirrstück zerbrechen. Irgendwas besonders Scheußliches.«
»Das ist doch sicher Zufall«, versuchte Fiona, sich selbst zu beruhigen.
»Nein. Wir sind Hexen«, korrigierte Dawn sie gelassen und kam wieder auf das alte Thema zurück: »Was hast du gegen Aidan?«
»Um Himmels willen, Dawn, ich habe gar nichts gegen ihn, und wenn du es möchtest, lerne ich ihn meinetwegen noch heute besser kennen! Ich wünschte, dieses Auto würde endlich losfahren, damit du mir glaubst.« Fiona verschränkte die Arme vor der Brust und schaute starr nach vorn. War es möglich, dass sie nach nur einem Tag schon den ersten Streit mit ihrer Schwester hatte?
»Danke!« Zufrieden lächelnd drehte Dawn erneut den Zündschlüssel um und dieses Mal sprang das alte Auto mit einem lauten Knattern an. Oben auf dem Baum stieß Lillybeth ein schrilles Krächzen aus, dann flog die Räbin vorweg und sie fuhren gemächlich die Straße entlang.
»Ich weiß nicht mal, was dein Beruf ist«, stellte Fiona fest, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten.
»Ich bin Lehrerin«, erklärte Dawn fröhlich. »In der Grundschule bei uns im Ort.«
»Lehrerin?« Fiona war so erstaunt, dass sie für einen Augenblick aufhörte, über Aidan nachzudenken.
»Ja. Ich bringe Kindern lesen und schreiben bei. Und ein bisschen auch das Zaubern.« Dawn kicherte leise vor sich hin.
»Das tust du nicht wirklich!« Zu ihrem eigenen Erstaunen ertappte Fiona sich dabei, dass sie langsam an die Zauberkräfte ihrer Schwester glaubte. Und empört darüber war, dass sie ihr Wissen unbedacht an unschuldige Kinder weitergab, die sicher die Tragweite solchen Handelns nicht überschauen konnten.
»Wir üben nur ganz kleine Zauberkunststückchen ein«, erklärte Dawn und winkte durch die Scheibe Lillybeth zu, die gerade über dem Auto eine elegante Schleife flog. »Und wir nennen sie Tricks. Die Eltern lieben unsere Zaubervorstellungen beim Sommerfest. Na ja, und wenn ich zum Beispiel dem kleinen Rory sage, dass er sehr wohl lesen kann, auch wenn er glaubt, er könne es nicht, und er dann ganz erstaunt feststellt, dass die Buchstaben plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher