Geisterlicht: Roman (German Edition)
Augen. »Du hast viele Bücher. Und sie sehen teilweise sehr alt aus. Da ich mehr über die Geschichte meiner Familie erfahren möchte, könnte ich doch vielleicht … irgendwann … es muss nicht heute sein …«
Ihr Lächeln war nichtssagend, und er spürte, wie sich Enttäuschung in ihm breitmachte. Hatte sie sich von Dawn nur zum Mitkommen überreden lassen, weil sie gehofft hatte, hier ein paar Aufzeichnungen zu finden, die ihr bei ihrem Hobby, der Ahnenforschung, hilfreich sein könnten?
»Selbstverständlich. Jederzeit. Ich weiß zwar nicht, ob in meiner Bibliothek irgendwo auch die Abercrombies vorkommen, aber sieh ruhig nach.« Er bemühte sich um einen gleichgültigen Ton, während er auf die Bücherwände deutete. Wenn sie den Kuss vergessen hatte, konnte er das auch. »Hat sich denn mein Kugelschreiber inzwischen angefunden?«, wechselte er das Thema.
Seltsamerweise wurde sie rot und schaute hilfesuchend zu Dawn hinüber, die sich angeregt mit Scott unterhielt. »Am besten fragst du meine Schwester, ob sie den Stift gesehen hat«, murmelte sie und wandte sich abrupt dem Bücherregal zu.
Aidan starrte verdutzt ihren Rücken an. Wie sollte man aus dieser Frau bloß klug werden?
Siebtes Kapitel
»Du hast ihn eiskalt belogen, als er nach seinem Kugelschreiber fragte«, stellte Fiona anklagend fest, als sie an diesem Abend beim Essen saßen. Sie hatten zum ersten Mal gemeinsam gekocht, nachdem Dawn ihrer Schwester ihre übliche Vorgehensweise in der Küche erklärt hatte.
»Wir sehen nach, was da ist, und daraus machen wir uns was Schönes.«
So hatte ihre Mutter normalerweise gekocht, und es waren fast immer sehr schmackhafte Gerichte auf den Tisch gekommen. Auch in der Küche war Noreen erfindungsreich und mutig gewesen. Oft kombinierte sie Zutaten, die normalerweise nicht zusammen serviert wurden. Und sie liebte farbenprächtige Speisen. Rote Beeren zwischen dunkelgrünem Brokkoli. Spinat mit gelben Bohnen.
»Hm«, machte nun auch Fiona überrascht, als sie die Kombination aus gekochtem Kürbis, Apfel, Zwiebeln und Kartoffeln auf ihrem Teller probierte. Gleichzeitig sah sie Dawn streng an und runzelte die Stirn. Natürlich wollte sie ihr wegen des Kugelschreibers ein schlechtes Gewissen machen.
Dawn ließ ihre Gabel sinken und grinste. »Beruhige dich! Du musst nur möglichst schnell den Liebeszauber machen, und wenn es geklappt hat, finde ich den Kugelschreiber zufällig hinter irgendeinem Schrank, und Aidan bekommt ihn zurück.«
»Immerhin ist es ein Erinnerungsstück«, erinnerte Fiona sie.
»Ich weiß«, erklärte Dawn immer noch grinsend. »Und ich habe ja auch ein schlechtes Gewissen. Aber schließlich geht es auch um sein Glück. Dafür muss er jetzt eben mal ein paar Tage ohne den Stift auskommen.« Sie spießte ein Kürbisstückchen auf. »Was hältst du von einem Liebestrunk mit Damiana? Wo das Zeug plötzlich wie Unkraut im Garten wächst …«
Fiona verschluckte sich, hustete, röchelte und griff verzweifelt nach dem Wasserglas, das Dawn ihr hinschob. Lillybeth, die auf der Anrichte saß und an der Kürbisschale herumpickte, flatterte unruhig mit den Flügeln.
Schließlich tupfte Fiona sich den Mund mit der Serviette ab und lehnte sich erschöpft zurück – um sich im nächsten Moment schon wieder kerzengerade aufzurichten. »Was war das eben mit dem Wasserglas?«
»Was meinst du?«, stellte Dawn sich dumm.
»Du hast es nicht angefasst! Es ist ganz von allein zu mir gerutscht!«
Betont gleichmütig zuckte Dawn mit den Schultern. »Kleiner, ganz einfacher Zauber. Kleine-Schwester-Zauber sozusagen.«
»O Gott!« Fiona schaute hilfesuchend zur Decke.
»Ich kann aber nur die unwichtigen Dinge hexen. Nicht die wichtigen, wie den Liebeszauber«, wiederholte Dawn zum x-ten Mal geduldig. Offenbar fiel es Fiona schwer, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie aus einer Hexenfamilie stammte. Aber mit der Zeit würde sie schon begreifen, dass es auch Vorteile hatte, eine Abercrombie zu sein. Zumal sich die Hexen aus ihrer Familie seit Urzeiten nur der weißen Magie bedienten. Sie richteten niemals irgendwelchen Schaden an, der über ein bisschen zerbrochenes Geschirr hinausging. Es sei denn, sie mussten jemanden beschützen, der ihnen nahestand. Dann handelte es sich sozusagen um Notwehr.
Schweigend beendeten die Schwestern ihre Mahlzeit. Kaum hatten sie die Bestecke beiseitegelegt, klingelte das Telefon. Dawn meldete sich, und eine Frauenstimme fragte nach Fiona.
»Für dich.«
Weitere Kostenlose Bücher