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Geisterlicht: Roman (German Edition)

Geisterlicht: Roman (German Edition)

Titel: Geisterlicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Winter
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Wunder gewesen. Da sie sich seit ihrer Ankunft in Schottland daran gewöhnt hatte, an Wunder zu glauben, versuchte Fiona es jedoch auch in diesem Fall.
    Etwa hundert Meter vom Burgtor entfernt lenkte sie das Auto an den Straßenrand und parkte unter einer kleinen Ansammlung alter Bäume mit ausladenden Zweigen. Das herbstlich bunte Blätterdach war noch so dicht, dass sie hoffte, Aidan würde den roten Farbtupfer des Wagens vom Turmzimmer aus nicht entdecken. Falls er sie schon auf der Straße gesehen hatte, war das eben Pech, und sie konnte nur hoffen, dass er sich nicht sofort auf den Weg machte, um nachzusehen, was sie hier auf seinem Grund und Boden trieb.
    Während Fiona sich mit zitternden Knien zwischen Büschen und Bäumen in Richtung See bewegte, versuchte sie, nicht über die Tiefe des Wassers nachzudenken. Sie hatte gelesen, dass die schottischen Lochs zu den tiefsten Seen der Welt zählten, und ihre Bemühungen, dieses Wissen zu verdrängen, waren nicht besonders erfolgreich. Als sie das Ufer erreichte, keuchte sie, als wäre sie bereits ins Wasser gefallen und müsste um ihr Leben kämpfen.
    Plötzlich war es ihr nicht mehr wichtig, dass Aidan sie nicht sah. Was war so schlimm daran, wenn er sie vom Turmfenster aus entdeckte? Auf viele Menschen übte Wasser eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, so dass er sich wahrscheinlich gar nicht wunderte, sie hier, am Ufer des Lochs, zu sehen. Und er hatte sicher nichts dagegen, wenn sie sein Boot für einen kurzen Ausflug zu der kleinen Insel im See benutzte. Sie konnte ihm ja sagen, dass dort ein besonderes Kraut wuchs, aus dem sie Tee zubereiten wollte. Oder besser noch eine Tinktur für ihre Schwester, die sich momentan nicht ganz gesund fühlte. Was der Wahrheit tatsächlich ziemlich nahe kam.
    Mühsam sog Fiona die duftende Luft der Highlands in ihre Lunge und näherte sich Schritt für Schritt dem schmalen Steg, an dessen Ende das Boot vertäut war. Schon allein bei dem Gedanken, über die vielleicht morschen Bretter zu gehen, brach ihr der Schweiß aus. Dennoch gelang es ihr, einen Fuß auf die Planken zu setzen. Mit zitternden Knien und angehaltenem Atem verharrte sie so. Eine ganze Minute, vielleicht auch zwei oder drei. Dann zog sie mit fast übermenschlicher Anstrengung auch den anderen Fuß auf das ausgebleichte Holz.
    Fiona verbot sich, nach unten zu schauen, und richtete ihren Blick starr auf die Insel im See. Sie erschien ihr unendlich weit weg. Krampfhaft kniff sie die Augen zu, stellte sich vor, wie sie ins Boot stieg, die Ruder ergriff, das Wasser überquerte und auf der Insel an Land ging. Doch während sie diese Bilder heraufbeschwor, begann sie, am ganzen Körper zu zittern. Und als sie die Augen wieder öffnete, schwankte alles um sie herum, und sie hatte das Gefühl, zur Seite zu kippen und ins Wasser zu fallen.
    Mit einem entsetzten Aufschrei wich sie zurück und rettete sich vom Steg ans Ufer. Auch als sie wieder den weichen Boden unter ihren Füßen spürte und mehrere Meter zwischen sich und das Wasser gelegt hatte, gelang es ihr nur mühsam, sich zu beruhigen. Immer noch wurde ihr abwechselnd kalt und heiß, sie bebte am ganzen Körper und hatte Tränen in den Augen. Die kleine Insel im See erschien Fiona so unerreichbar wie der Mond. Dabei wuchsen dem Hexenbuch der Abercrombies nach nur dort die Kräuter, mit deren Hilfe sie Dawns Herz für die Liebe eines Mannes öffnen konnte, der ihre Gefühle erwiderte und gut für sie war.
    Liebeszauber funktionierten nicht so einfach, wie Dawn es gern gehabt hätte. Das Buch erklärte, dass ein Zauber das Herz eines störrischen Mannes für die Liebe öffnen könne, doch Liebe zu erzwingen wäre kein noch so wirksames Kraut und keine magische Formel in der Lage. Deshalb hatte derselbe Tee, der zwischen Aidan und Fiona für leidenschaftliche Momente gesorgt hatte, auch nicht gewirkt, als Dawn und Aidan ihn gemeinsam getrunken hatten.
    Um Dawn von ihrer Verliebtheit zu Aidan zu kurieren, blieb nur die Hoffnung, dass sie möglichst bald einen Mann traf, der wirklich zu ihr passte. Und dann musste Dawn bereit sein, Aidan für diesen anderen Mann loszulassen. Wobei ihr der Zauber, der im Familienbuch beschrieben war, und das seltene Kraut, welches auf der Insel im See wuchs, gute Dienste leisten würden. Nach den Anweisungen im Buch musste Fiona die Kräuter eigenhändig pflücken.
    Als sie aus sicherer Entfernung schaudernd über den See schaute, wusste sie plötzlich, was ihre einzige Chance

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