Geisterlicht: Roman (German Edition)
ihr sträubte sich immer noch alles dagegen, Aidan die ganze Wahrheit zu erzählen. Die lautete nämlich, dass Catriona tatsächlich eine Hexe gewesen war, ebenso wie alle anderen Frauen ihrer Familie. Und wie Fiona selbst.
»Ach, Blödsinn«, hörte sie sich sagen und brachte sogar ein Lachen hervor. »Das waren nur theoretische Überlegungen. Sozusagen ein Gedankenspiel.«
Ich bin so feige! Zu feige, ihm die Wahrheit zu sagen. Obwohl ich solche Angst vor dem habe, was uns hier passieren könnte. Gratulation, Fiona! Ein echter Hasenfuß bist du. Aidan schwebt womöglich in größter Gefahr, und er hat ein Recht, es zu erfahren!
In sich zusammengesunken saß sie auf dem alten Holzstuhl und starrte in die Kerzenflamme. Innerlich zitternd, unfähig, irgendetwas anderes zu tun, als zu warten. Darauf, dass die Nacht vorüberging oder in den dunklen Stunden etwas Schreckliches geschah.
Als es in einer Ecke des Zimmers heftig krachte, fuhr sie mit einem Schrei hoch und flüchtete sich auf Aidans Seite des Tisches. Rasch stand er ebenfalls auf und nahm sie in die Arme. Über seine Schulter spähte sie ängstlich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
»Da ist nur die alte Zinnkanne neben der Waschschüssel umgefallen. Die Fenster sind undicht, und es zieht hier drinnen«, beruhigte er sie. Sanft strich er ihr über die Haare und über den Rücken und wiegte sie hin und her.
Langsam entspannte sie sich wieder. Wie schon so oft, wenn er sie gehalten und getröstet hatte. Ihre Angst war immer noch da, aber sie zog sich in einen Winkel ihres Herzens zurück, und der Rest ihres Inneren war von dem schüchtern hervorkriechenden Gefühl erfüllt, es könne doch noch alles gut werden.
»Wir sollten die Kerze jetzt besser löschen, damit wir für den Notfall noch einen Stummel übrig haben«, sagte Aidan nach einer Weile. »Ohnehin sollten wir versuchen, ein wenig zu schlafen. Ich habe die Matratze untersucht. Sie ist einigermaßen in Ordnung. Kein Schimmel und kein Ungeziefer. Wir haben die saubere Decke, die wir mitgebracht haben und …« Er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen, und sie wusste, er wollte sie fragen, ob sie bereit war, mit ihm unter einer Decke zu liegen.
Stumm nickte sie. Es tat gut, sich ihm anzuvertrauen und ihn einfach machen zu lassen. Sie selbst hatte keine Kraft mehr, ununterbrochen zu grübeln, und wollte sich nur noch in Aidans Armen verstecken und dort auf den Morgen warten.
Er stellte den Kerzenstummel auf den Nachttisch, half ihr sich hinzulegen und breitete die Decke über ihr aus. Dann legte er sich an den Rand des Betts und löschte die Flamme.
Fiona riss die Augen weit auf, doch in dem kleinen Raum war es stockdunkel. Schutzsuchend rutschte sie näher an Aidan heran und hob die Decke. »Komm. Es ist kalt«, flüsterte sie. Sie hatten kein trockenes Holz gefunden und waren auch nicht sicher, ob der baufällige Schornstein in Ordnung war. Deshalb hatten sie kein Feuer gemacht.
Aidan rutschte so vorsichtig neben sie, dass er sie nicht berührte. Dennoch spürte Fiona, wie es um sie herum wärmer wurde. Sie sehnte sich danach, den Kopf auf seine Schulter zu legen. Seine Nähe beruhigte sie und nahm ihr einen Teil ihrer Angst. Doch sie wagte nicht, ihn darum zu bitten. Bewegungslos lag sie auf dem Rücken, hörte seine langsamen, gleichmäßigen Atemzüge und versuchte, sich zu entspannen, während sie unverwandt in die Dunkelheit starrte. Um die Ecken des kleinen Hauses pfiff der Wind, und einer der losen Fensterläden klapperte leise.
Es schien Fiona, als sei eine halbe Ewigkeit vergangen, während der ihre Angst eher größer als kleiner geworden war, als sie fühlte, wie Aidan sich neben ihr umdrehte.
»Kannst du auch nicht schlafen?«
Sein Atem strich ihr warm über die Wange. »Nein«, wisperte sie.
»Hast du Angst?«
Sie zögerte. »Es ist schon … ein bisschen unheimlich hier«, erklärte sie schließlich vage.
Wortlos zog er sie an seine Brust. Sein Herzschlag, sein Atem in ihrem Haar, seine Stärke und Lebendigkeit – sofort fühlte sie sich besser.
»Du kannst ruhig schlafen, Fiona«, sagte er leise und streichelte ihren Rücken.
In seinen Worten lag das Versprechen, dass er auf sie aufpassen würde. Und plötzlich spürte sie, wie erschöpft sie war, und wagte es, die Augen zu schließen. Nur für ein paar Minuten, dachte sie sich …
Sie lag in dem breiten alten Bett, genoss das Gefühl der gestärkten Laken unter ihrem nackten Rücken, sog tief
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