Geisterlicht: Roman (German Edition)
einen weiteren Aspekt hinzugefügt: Sie wollte Fiona, ihre Nachfahrin, davor beschützen, ebenso verraten und verletzt zu werden, wie es ihr selbst geschehen war.
Bei dem Gedanken, dass Catriona vorhatte, Aidan zu töten, klopfte Fionas Herz so heftig, dass sie das wilde Pochen im ganzen Körper fühlte. Würden ihre Kräfte wirklich ausreichen, um ihn zu beschützen, falls Catriona sich weigerte, ihr zuzuhören? Denn wenn ihre Urahnin erfuhr, dass Arthur nichts mit ihrem Tod auf dem Scheiterhaufen zu tun hatte, würde sie hoffentlich von ihren Racheplänen ablassen und sicher auch den Fluch von den MacNaughtons nehmen. Aber was, wenn sie sich weigerte, Fionas Worten Glauben zu schenken?
Wenn nur endlich der Morgen käme! Fiona hatte keine Ahnung, wie spät es war. Vielleicht dauerte es nur noch wenige Minuten bis zum ersten Sonnenstrahl, vielleicht aber auch noch Stunden. Sie versuchte, sich zu entspannen, indem sie sich enger an Aidans warmen Körper schmiegte.
Im selben Moment tat es draußen vor dem Haus einen heftigen Schlag. Ein heulender Windstoß rauschte durch die Wipfel der Bäume, irgendetwas stieß heftig gegen die Hauswand. Gleich darauf pfiff der Wind durchs Zimmer, wehte Fiona die Haare ins Gesicht, hob die Ecken der Wolldecke und strich ihr mit eisigen Fingern über die Haut. Offenbar hatte eine heftige Böe die Tür oder eines der Fenster aufgedrückt.
Mit einem lauten Schrei richtete Fiona sich auf und schüttelte sich die Haare aus den Augen. Da sah sie sie, umgeben von flackerndem Licht, das alles ringsum in zorniges Rot tauchte: das kleine Zimmer, Aidan, der ebenfalls hochgefahren waren war, und Catriona selbst, deren Augen vor Zorn glühten wie brennende Kohlestücke.
Nackt wie sie war, sprang Fiona aus dem Bett und lief auf ihre Ahnfrau zu. Dabei streckte sie ihr abwehrend die Arme entgegen.
»Hör auf!«, schrie sie. »Es war nicht so, wie du glaubst. Arthur hat dich nicht verraten!«
Doch Catriona kümmerte sich nicht um sie. Pfeilschnell beschrieb sie einen Bogen um Fiona und glitt auf Aidan zu, der wie erstarrt neben dem Bett stand. Offenbar sah er Catriona ebenfalls. Er brüllte etwas in den laut heulenden Wind, doch Fiona verstand ihn nicht.
Sie ruderte wild mit den Armen. »Lauf weg, Aidan! Schnell!«, rief sie ihm zu.
Natürlich dachte er nicht daran, feige zu fliehen und sie mit einem rotglühenden Geist alleinzulassen. Stattdessen zog er die Decke vom Bett, eilte an Fionas Seite und legte sie ihr um die Schultern. Er selbst hatte sich in Windeseile die Hose angezogen, wie sie feststellte, erstaunt darüber, dass ihr in diesem Moment eine so unwichtige Kleinigkeit auffiel.
»Lauf!«, schrie sie verzweifelt gegen das Tosen des Windes an. »Sie wird mir nichts tun. Sie will dich!«
Er schüttelte den Kopf, legte den Arm um sie und zog sie mit sich, fort von Catriona, die soeben beide Hände hob und sie mit den Handflächen nach oben vor sich in die Luft hielt. In jeder ihrer Hände brannte eine Flamme, nicht größer als die einer Kerze. Doch innerhalb von Sekunden verwandelten sich beide Flammen in rotglühende Bälle.
Fiona versetzte Aidan einen Stoß, der so unverhofft kam, dass er rückwärts durch den Raum taumelte, dann stellte sie sich entschlossen zwischen Catriona und den Mann, den sie liebte, und funkelte ihre Ahnfrau zornig an. Sie musste sich konzentrieren, musste herausfinden, welchen Zauber sie anwenden konnte, um Catriona ihre Kraft zu nehmen und Aidan zu beschützen. Denn momentan sah es nicht so aus, als würde die zornige Hexe auch nur für eine Minute innehalten, um ihr zuzuhören, wenn sie versuchte, ihr die Wahrheit über ihren Tod auf dem Scheiterhaufen zu erzählen.
Fionas wütender Blick ließ Catriona für ein oder zwei Sekunden bewegungslos verharren, was zeigte, dass Fiona dem rachsüchtigen Geist gegenüber nicht vollkommen machtlos war. Mit aller Kraft konzentrierte sie sich auf die glühenden Bälle in Catrionas Händen – und war höchst erstaunt, als diese tatsächlich anfingen, zu schmelzen und kleiner und kleiner wurden.
Catriona stieß einen wütenden Schrei aus, der im Heulen des Windes fast unterging. Im selben Moment tauchte Aidan wieder an Fionas Seite auf.
»Versteck dich!«, rief sie erneut. »Sie will mir nichts tun. Nur dir!«
»Ich denke nicht daran, dich mit diesem Ungeheuer allein zu lassen!«, brüllte er zurück.
»Das verstehst du nicht, Aidan! Sie will mich vor dir beschützen. Ich muss mit ihr reden, und wenn du gehst
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