Geisterlicht: Roman (German Edition)
wirbelnden Teile von Möbeln, Wänden und Dach sie nicht treffen konnten.
»Nein!«, brüllte sie gegen den Lärm an, der sie umgab, und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. Er war es doch, den Catriona töten wollte! Sie musste ihn beschützen, nicht umgekehrt!
Doch selbst wenn Aidan sie gehört hätte, hätte er sie sicher nicht losgelassen. Verzweifelt kämpfte Fiona gegen seine Umarmung an, obwohl gleichzeitig alles in ihr danach schrie, in diesem tosenden Weltuntergang so dicht wie möglich bei ihm zu sein. Aber sie musste sich Catriona entgegenstellen, um Aidan zu retten.
Da wurde sein Körper, der sich wie ein schützendes Dach über ihr wölbte, plötzlich schlaff und schwer. Seine Arme, die sie eben noch fest umklammert hatten, lagen auf einmal völlig leblos neben ihr. Er musste von irgendetwas am Kopf getroffen worden sein. Oder Catriona hatte ihm etwas angetan.
Bitte, lass ihn leben! Bitte, lass ihn nur ohnmächtig sein! Während Fiona unter dem reglosen Körper hervorkroch, betete sie stumm und versuchte gleichzeitig, ihre Kräfte zu sammeln. Sie musste mit allen Hexenkünsten, die ihr zur Verfügung standen, die sie aber weder kannte, noch jemals zuvor ausprobiert hatte, Catriona entgegentreten.
Mühsam richtete sie sich auf und warf einen letzten Blick auf Aidan hinunter. Im Licht eines blendend hellen Blitzes sah sie sein Gesicht. Es war leichenblass, seine Augen waren geschlossen, auf seiner Stirn klaffte eine blutende Wunde. Da durchströmte Fiona ein überwältigendes Gefühl der Liebe, gleichzeitig aber auch ein heftiger brodelnder Zorn. Sie war bereit, für diesen Mann mit allem, was sie ausmachte, und mit sämtlichen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu kämpfen. Keine von Catrionas Waffen konnte stärker sein als ihre Liebe!
Als sie sich nach ihrer Urahnin umschaute, stand diese gerade mit wehenden schwarzen Haaren auf dem Bett, dem einzigen erhöhten Punkt, den es innerhalb der zusammengestürzten Mauern des Häuschens noch gab. Sie streckte die Arme vor, und von ihren Fingern lösten sich ununterbrochen kleine Flammen, zuckten durch die Luft, verwandelten sich in Feuerbälle und schossen wie kleine, leuchtende Kanonenkugeln im Zickzack durch die Luft.
»Halt!«, brüllte Fiona gegen das Krachen des Donners an. Dabei streckte sie die Arme hinauf zum Himmel, wartete auf den nächsten Blitz und lenkte ihn mit einer Handbewegung, die ihr Instinkt ihr eingab, dorthin, wo Catriona stand.
Der Blitz fuhr direkt in sie hinein. In seinem grellen Licht sah Fiona, wie der Geist die Augen aufriss und den Mund weit öffnete, während er die Arme fallen ließ und auf dem großen Bett nach vorne taumelte. Unter Catriona ging die Matratze in Flammen auf, und auch ihre Kleider fingen Feuer. Entsetzt sah Fiona zu, wie mit ihr genau das passierte, was schon einmal mit ihr geschehen war. Sie stand mitten im Feuer.
»Nein!«
Die zierliche Frau tauchte so plötzlich aus dem Dunkel auf, dass Fiona sie zunächst nicht erkannte. Sie sah nur, wie sie auf die in Flammen stehende Catriona zustürzte, eine Decke vom Boden aufhob und sie über die brennende Gestalt warf. »Wir müssen das Feuer löschen!«, rief sie dabei Fiona zu. »Sie darf nicht einfach so verschwinden! Erst muss sie den Fluch von Aidan nehmen. Wo ist er?«
»Dawn«, murmelte Fiona verwirrt und zeigte auf den reglos am Boden liegenden Aidan. Dann eilte sie zu dem brennenden Bett, um gemeinsam mit ihrer Schwester die Flammen zu ersticken. Da ein Teil der Decken und Kissen noch nicht brannte, gelang es ihnen tatsächlich, ihr Vorhaben umzusetzen. Noch während sie damit beschäftigt waren, legte sich der Sturm, der Regen ließ nach, und auch das Gewitter hörte von einer Minute auf die andere auf.
Sobald keine Flammen mehr zu sehen waren und das Bett nur noch ein verkohltes Gerippe war, lief Dawn zu Aidan. Fiona zog es ebenfalls unwiderstehlich zu dem bewusstlosen Mann. Sie musste wissen, ob er noch lebte. Dennoch wandte sie sich zunächst Catriona zu. Ihre Ahnfrau stand bewegungslos unter dem Himmel, auf dem sich nun der erste rosige Schimmer des Morgens zeigte. Sie schaute Fiona aus weit aufgerissenen Augen an. Ihr Kleid war noch zerfetzter als zuvor, ihre Haare angesengt.
»Feuer«, murmelte sie. »Er hat mich ins Feuer geschickt. Und nun wolltest du es tun. Auch du willst mich vernichten, dabei will ich dir nur helfen. Du darfst ihn nicht lieben.«
»Arthur hat dich nicht ins Feuer geschickt«, erklärte Fiona ihr hastig.
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