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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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Wahrheit,
    »Veraxis«, Artikel 77
    Okay. Immer schön der Reihe nach. Sie musste aus diesem Raum so schnell wie möglich raus, bevor er sich in einen Ofen mit Eisenwänden verwandelte. Schon jetzt klebte ihr das Shirt am Körper und der Pony als juckender Klumpen an der Stirn.
    Nein, halt! Sie musste wirklich der Reihe nach vorgehen. Sie brauchte dringend ihre Pillen. Ihre Hände zitterten, als sie den Verschluss des Pillendöschens aufschnippte, sich drei Cepts griff und sie zu einem bitteren, kalkigen Brei zerkaute. So hastig spülte sie sie hinunter, dass sie sich Wasser aufs Shirt kleckerte. Egal. War vermutlich nicht das Schlechteste, wo sie hier in einer Flammenhölle gefangen saß.
    Und selbst wenn nicht, scheiß drauf! Das Wasser hatte die Pillen ihren Hals hinabbefördert, das Kauen hatte sie mit einer kleinen Sofort-Dosis versorgt, und das war alles, was zählte. Fast alles. Der Nebel in ihrem Kopf lichtete sich ein wenig, sodass sie wieder einen klaren Gedanken fassen und sich konzentrieren konnte.
    Jetzt zu der Frage, wie sie hier wieder rauskam. Ihre Handfläche zischte beinahe, als sie sie an die Tür legte. Wie hatte das Feuer nur derart schnell um sich greifen können?
    Eine weitere Explosion war die Antwort auf diese Frage. Ihr Herz hüpfte ihr in der Brust wie ein Insekt, das in einem Spinnennetz zappelte. Genau das war sie, ein gefangenes Insekt, das alles daransetzte, am Leben zu bleiben, auch wenn es wahrscheinlich versagen würde.
    Sie wich dem Krötending am Boden aus und checkte das Fenster. Die Gitterstäbe wollten sich unter ihrem Griff nicht rühren - aber anscheinend gab es eine Feuertreppe. Nicht direkt vor dem Fenster, aber nahe genug dran. Wenn sie rauskam, konnte sie sie vermutlich erreichen.
    Ihr blieb ja auch keine große Wahl, oder? Sie musste diese winzige Chance nutzen und den Sprang auf die Feuertreppe wagen, wenn sie in dem verschlossenen Raum nicht langsam gar gekocht werden wollte.
    Außer ... verdammt! Verdammte Riesenscheiße noch mal! Lauren. Wo war Lauren?
    Und kümmerte sie das überhaupt?
    Nein. Nein, eigentlich nicht.
    Aber Lauren hatte es auch nicht verdient, in einem stinkenden, brüllenden Schlachthof zu verbrennen. Und wie zur Hölle sollte Chess dem Großältesten erklären, dass sie zwar den eigenen Arsch gerettet hatte, aber nicht die geringste Ahnung hatte, was mit seiner Tochter passiert war?
    Sie musste wenigstens versuchen, sie zu finden. Sie musste zumindest den Versuch machen, die Tür aufzukriegen — falls es eine Untersuchung gab, und das war so gut wie sicher, würden sie feststellen können, ob sie aus dem Raum entkommen war oder nicht und dass sie es eigentlich hätte schaffen müssen. Sie wollte - musste! - guten Gewissens sagen können, dass sie ihr Bestes getan hatte.
    Ihre Ölspritze war fast leer, aber nicht ganz. Ein Quäntchen Glück, wenigstens etwas. Selbst mit ihren zittrigen Händen brauchte sie nur Sekunden, um das Schloss zu knacken.
    Einmal tief Luft holen. Sie zog sich den Ärmel über die Handfläche, schlug die warnenden Stimmen, die ihr zuriefen, dass sie nicht so bescheuert sein sollte, die heiße Tür aufzumachen, in den Wind und riss an der Klinke.
    Erst letzten Monat hatte sie eins der Geistergefängnisse unter der Kirche besuchen müssen, eine schreckliche, lodernde Höhle voller Elend.
    Das hier war schlimmer.
    Der Lärm hatte keineswegs nachgelassen. Rauch biss ihr in den Augen und versengte ihr die Lunge. Schwarze und graue Rauchschwaden dämmten das schmerzhaft grelle Licht der Flammen. Immer noch schrien die Tiere. Der Gestank von verbranntem Haar und gegrilltem Fleisch lag in der Luft. Der Geschmack von Tod und Asche ließ sie würgen. Das halbe Gebäude stand schon in Flammen. Das orangefarbene Flackern und der Schweiß, der ihr brennend in die Augen rann, nahmen ihr fast die Sicht.
    Aber selbst mit dem Feuer und dem Lärm und dem Gestank wäre sie noch klargekommen. Und damit würde sie auch klarkommen. Aber was ihr trotz der Hitze wirklich das Blut in den Adern gefrieren ließ, waren die Geister.
    Die Lamaru - oder wenigstens einige von ihnen - hatten Geister in sich beherbergt. Das war klar - oder hätte ihr wenigstens klar sein müssen, wenn sie mal eine Sekunde darüber nachgedacht hätte. Woran sie auch nicht gedacht hatte, war, dass ein Psychopomp auftauchen würde, sobald sie tot waren, dass aber die Geister, mit denen sie verbunden waren, nicht »eingeordnet« werden konnten. Keine Psychopomps. Und weit und

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