Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
geistesgegenwärtig.
»Es kann sein, dass es zu einem starken Temperaturabfall kommen wird. Die plötzliche Kälte kann äußerst unangenehm werden. Keiner von Ihnen beiden darf sich davon beeinflussen lassen. Wenn Sie es für notwendig halten, kleiden sie sich noch wärmer.«
Ich schaute fragend zu Beverly.
»Ich ziehe mir noch mein Strickjacke über«, sagte sie und holte sich die Jacke aus dem Vorraum.
»Mr. Rafton?«
»Ja?«
»Bitte dimmen Sie jetzt das Licht soweit herunter wie möglich und löschen sie, falls noch nicht geschehen, sämtliche Lichter in den übrigen Räumlichkeiten.«
Ich stand auf und tat wie geheißen. Im Wohnzimmer hatte ich einen Deckenfluter, den ich soweit herunterregelte, bis nur noch ein schwaches orangefarbenes Licht von der Zimmerdecke reflektiert wurde.
Beverly und ich setzen uns wieder an den Tisch, schräg gegenüber zu den Abagnales.
»Noch eine Sache:«, sagte Mrs. Abagnale warnend. »Keiner von Ihnen darf während der Anrufung seinen Platz verlassen. Sie würden damit nicht nur sich, sondern uns alle in Gefahr bringen. Ganz gleich, was auch geschieht: Verlassen Sie nicht ihren Stuhl. Nur hier in unserem Kreis sind wir sicher.«
Beverly schluckte trocken. Ich konnte sie denken hören, wie sie sich weit, weit weg von diesem Ort wünschte.
»Haben Sie noch Fragen?«
Beverly und ich schüttelten langsam den Kopf. Ich hätte noch am liebsten tausend Fragen gestellt, um die Anrufung hinauszuzögern. Aber gleichzeitig wollte ich es endlich hinter mich bringen.
»Dann werden wir jetzt beginnen«, sagte Mrs. Abagnale und vergewisserte sich, dass ihr Mann auch bereit war.
Die Abagnales saßen am Kopfende des ovalen Tisches, welches sich an der äußeren Hauswand befand, wobei Mrs. Abagnale mittig saß, damit sie genügend Platz zum Schreiben hatte.
Beverly und ich saßen ihnen schräg gegenüber mit dem Rücken zur Fensterfront.
Ich bin bereit. Lass es nur schnell gehen! Lass nichts Schlimmes geschehen , dachte ich.
»Wie lautet ihr richtiger Vorname?«, fragte mich plötzlich Mrs. Abagnale und riss mich aus meinen Gedanken.
»Jack«, sagte ich ohne nachzudenken.
Dann bemerkte ich, dass mich Mrs. Abagnale wütend ansah.
»Stimmt was nicht?«, fragte ich ahnungslos.
»Ich habe Sie nach ihrem richtigen Vornamen gefragt. Nach dem Namen, den ihre Eltern Ihnen gegeben haben, nicht den, welchen Sie sich selbst irgendwann ausgedacht haben!«
Mein richtiger Vorname?
Die Frage nach meinem echten Vornamen löste in mir eine Mischung aus Wut und Betroffenheit aus. Wut deshalb, weil Mrs. Abagnale mich zum zweiten Mal vor Beverly in Verlegenheit gebracht hatte. Ich hatte ihr nie gestanden, dass Jack Rafton ein Künstlername war. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte niemand in Lost Haven Kenntnis von meinem richtigen Namen.
Beschämt schaute ich zu Beverly. Sie nahm nur meine Hand und drückte sie aufmunternd. Ohne diese Geste, wäre ich vielleicht wirklich aufgestanden und hätte die Abagnales meines Hauses verwiesen.
»Nur den Vornamen«, insistierte Mrs. Abagnale, wobei ihr Tonfall verträglich klang.
Ich schluckte, bekam aber keine Spucke zusammen.
Wann hatte ich meinen Namen, das letzte Mal ausgesprochen? Wann hatte ich das letzte Mal an diesen Namen gedacht?
»Bitte, Mr. Rafton. Nur Ihren Vornamen.«
Beverly drückte nochmals meine Hand und nickte auffordernd.
Mein Widerstand löste sich. Ein unbeschreibliches Gefühl.
»William«, sagte ich und schloss kurz die Augen.
Mrs. Lächelte zufrieden. »Ich werde jetzt in einen tranceähnlichen Zustand übergehen. Bitte absolute Ruhe!«
Artig warteten Beverly und ich ab und zählten die Sekunden.
Es dauerte mehrere Minuten, in denen die Abagnale mit geschlossenen Augen regungslos dasaß.
Es war so ruhig, man hätte die vielzitierte Stecknadel auf den Boden fallen hören können.
Wir warteten weiter. Minute um Minute. Ich musste den Drang, auf meine Armbanduhr zu schauen, unterdrücken.
Die ganze Zeit über hielten Beverly und ich uns die Hand. Zu meiner Beruhigung war ihre Hand schwitziger als die meine.
Nach schätzungsweise einer halben Stunde des Schweigens und des Wartens, hielt ich es nicht mehr aus und wollte etwas sagen. Da streckte Mrs. Abagnale auf einmal ihren rechten Arm ein Stück weit aus. Das war das Zeichen für ihren Mann, der ihr daraufhin einen der Kohlestifte in die Hand drückte und ihr dieselbige über das Papier führte.
Noch hielt sie die Hand still.
»Ich kann jetzt sehen«, sagte sie. Und
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