Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
Abagnale.«
Sie nickte zögernd, blieb aber bei Ihren Zweifeln, dass wir das Richtige taten.
»Dann ist alles gesagt, was gesagt werden musste. Mr. Rafton, bevor mein Mann und ich gehen werden, wollen wir uns noch gerne das Schlafzimmer ansehen.«
»Natürlich.«
Das Ehepaar Abagnale schaute sich penibel jeden Quadratzentimeters meines Schlafzimmers an, ohne einen Kommentar abzugeben.
Anschließend verabredeten wir uns für zehn Uhr abends am nächsten Tag. Die Anrufung sollte im Wohnzimmer stattfinden, weil in diesem Raum die intensivsten und meisten Manifestation stattgefunden hatten.
Danach fuhren die Abagnales zu ihrem Hotel, dem Port Haven Residence.
Ich hatte mit Beverly vereinbart, auch diese Nacht bei ihr zu verbringen. Als sie schon zum Auto auf meiner Auffahrt vorgegangen war, packte ich die letzten Sachen für die Nacht zusammen und löschte überall das Licht.
Kurz bevor ich die Haustür zuziehen und abschließen wollte, hielt ich inne und sah in den dunklen Flur.
In diesem Moment konnte ich es auch spüren. Der Geist war hier. Die ganze Zeit.
»Wir sehen uns morgen«, flüsterte ich in die Dunkelheit und schloss die Tür.
2
Den nächsten Tag verbrachten Beverly und ich entgegen unserem ursprünglichen Vorhaben vorwiegend im Freien.
Das Wetter war ungewöhnlich warm und trocken. Wir beschlossen daher, eine Wanderung quer durch Lost Haven zu machen bis zum Felsen The Old One. Genau der Stelle, welche ich dem jungen verliebten Paar vor einer Weile empfohlen hatte.
Wir saßen lange auf der Felsterrasse in der Nähe der Ruine des Hauses von Ernest Hawl und blickten aufs Meer. Wir rätselten über das Geheimnis der Speedwell und dem Schicksal seiner Passagiere.
Mittags sah ich bei Mrs. Trelawney vorbei. Ihr ging es offenbar gut, so dass ich sie nicht weiter stören und Anlass zu Misstrauen ob meines merkwürdigen Verhaltens geben wollte.
Gegen Nachmittag wollten wir uns beide noch ein paar Stunden aufs Ohr legen, um Kraft für die Nacht zu sammeln. Beide ahnten wir, dass diese Nacht eine besonders lange werden würde.
Schlaf fanden wir verständlicherweise nicht, aber Ruhe; die fanden wir. Ruhe vor dem Sturm.
Mr. und Mrs. Abagnale trafen überpünktlich um kurz nach neun Uhr abends in meinem Haus ein. Mr. Abagnale trug eine große Aktentasche, die er am Wohnzimmertisch sorgfältig auspackte.
Dutzende Blätter Papier von etwa fünfzig mal vierzig Zentimeter Größe legte er übereinandergelegt an den Platz seiner Frau. Dazu kamen zehn dicke Kohlestifte.
Mrs. Abagnale bat zunächst um einen Kamillentee. Zum Glück hatte mir Beverly übergangsweise ein paar Tassen und Teller geliehen, so dass ich ihrem Wunsch nachkommen konnte.
Mrs. Abagnale trank ihre Tasse vollständig leer und nahm dann Platz. Sie gab Anweisung, dass nichts auf dem Wohnzimmertisch liegen dürfe, außer dem Papier und den Stiften, welche sie zur Durchführung der Anrufung zwingend benötigte.
Noch bevor die Abagnales eingetroffen waren, hatte ich bereits die Jalousien heruntergelassen, aber Mrs. Abagnale bestand darauf, mindestens eine geöffnet zu lassen.
Beverly und ich waren sehr aufgeregt und waren bemüht, es uns nicht gegenseitig anmerken zu lassen – mit wenig Erfolg.
»Bevor wir beginnen werden, müssen sie unbedingt folgenden Anweisungen strikt Folge leisten: Während der Anrufung dürfen Sie nichts sagen, nicht dazwischenrufen und schon gar nicht Fragen an den Geist richten. Ich könnte aus der Balance geraten und dann könnten unvorhersehbare Dinge geschehen. Es könnten noch andere Geister angerufen werden, die wir hier nicht haben wollen. Sie dürfen also nur sprechen, wenn ich sie dazu auffordere. Haben Sie das verstanden?«
»Ja«, sagte ich und Beverly nickte entschieden.
»Mein Mann wird auch nicht sprechen. Mit einer Ausnahme: Sollte ich etwas Lesbares mit dem Kohlestift zu Papier bringen, dann wird er es laut vorlesen.«
»Ich werde die ganze Zeit damit beschäftigt sein, zu erkennen, ob meine Frau Wörter oder nur einzelne Buchstaben aufschreibt. Außerdem werde ich die Blätter ständig erneuern«, ergänzte Mr. Abagnale, der, wie ich empfand, auch sehr angespannt wirkte. Seine Nervosität war für mich ein überzeugender Hinweis auf die Glaubwürdigkeit seiner Frau und ihrer Fähigkeiten.
»Des Weiteren werden Sie sich bei einer erfolgreichen Anrufung auf ein Phänomen einstellen müssen, dass Ihnen schon bekannt ist, Mr. Rafton.«
»Die Kälte«, sagte ich
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