Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
Zeit. Ich ahnte schon, worauf es hinauslaufen würde.
»Und Mr. Rafton, was macht die Kunst?«, fragte sie.
»Du meinst nicht zufällig eine bestimmte Kunst?«, erwiderte ich.
Melissa druckste herum. »Nun, ich dachte, Sie würden bald wieder an einem neuen Roman arbeiten«, sagte sie und vermied es mich anzusehen.
Mr. Beaver räusperte sich demonstrativ, um seiner Tochter klar zu machen, sie solle mich nicht schon wieder mit dieser Frage belästigen. In der Tat fragte sie mich fast jedes Mal, wenn ich hier war, ob ich gerade etwas schreibe. Ich habe ihr – wenn auch nicht eindeutig – versucht klar zu machen, dass ich nichts mehr schreiben möchte. Aber das wollte sie nicht akzeptieren.
»Ich schreibe nicht mehr. Das weißt du doch, Melissa. Für mich ist dieses Kapitel beendet.«
Melissa runzelte die Stirn, während sie langsam die Geschenkverpackung mit Tesafilm fixierte. »Hm. Aber ist es nicht irgendwann an der Zeit umzublättern und das nächste Kapitel zu beginnen?«, fragte sie und sah mich eindringlich an.
»Melissa!« Mr. Beaver hatte seinen Kopf vom Bildschirm weg gedreht und sah seine Tochter mahnend an. Mehr als einen schemenhaften Umriss konnten ihm seine Augen nicht übermitteln, dennoch wirkte sein fixierender Blick täuschend echt.
»Schon gut«, sagte ich in Richtung von Mr. Beaver.
Dann wandte ich mich an Melissa und schob meine schwarz geränderte Brille über der Nase zurück. Eine Bewegung, die ich schon unzählige Male gemacht hatte. »Irgendwann ist man aber am letzten Kapitel angelangt. Danach ist das Buch zu Ende.«
Meinem Gegenüber gefiel die Antwort überhaupt nicht. Melissa setzte einen gekonnten Schmollmund auf. Sie schaffte es so tatsächlich, dass ich mich schlecht fühlte, weil ich sie enttäuschen musste.
»Das macht dann genau zwölf Dollar«, sagte sie kühl.
Ich verzog ein wenig die Miene und bezahlte. Melissa sagte nichts. Vorbei war ihr strahlender Glanz. Sie wollte mir unmissverständlich deutlich machen, dass sie mich bestrafen wollte.
»Also ich hoffe wirklich, dass es Peter gefällt«, sagte ich in der Hoffnung, die Wogen wieder etwas zu glätten.
»Wenn nicht kann er es gerne umtauschen«, erwiderte Melissa schnippisch.
»Melissa, jetzt reicht es aber!«, sagte Mr. Beaver laut.
Ich musste mir etwas einfallen lassen. Sie würde mich sonst wochenlang mit finsteren Blicken strafen, sollte ich es wagen, das Geschäft wieder zu betreten.
Ich drehte mich gen Ladentür und tat einen Schritt. Melissa ließ mich nicht eine Sekunde aus den Augen. Dann hatte ich plötzlich eine Idee. Ich blieb stehen und drehte mich wieder zum Tresen. »Warum schreibst du eigentlich nicht?«
Das hatte gesessen.
»Äh, ich?«, stammelte sie sichtlich aus der Fassung gebracht.
»Hast du mir mal nicht erzählst, du hättest es selber schon probiert?«
Jetzt wurde Melissa langsam rot. Und ich konnte in Ihren Augen sehen, dass sie zwischen Verärgerung darüber, dass ich sie aus dem Konzept gebracht hatte, und gewecktem Ehrgeiz, ein eigenes Buch zu schreiben, schwankte.
»Ach, das ist doch schon lange her«, sagte sie unsicher.
»War es nicht eine Vampir-Geschichte?« Jetzt wurden ihre haselnussbraunen Augen ganz groß. Ich hatte sie am Haken und musste innerlich lächeln, weil sie leichter zu beeinflussen war, als ich dachte.
»Und hast du mir nicht gesagt, dass es dir richtig Spaß gemacht hätte?«, legte ich nach.
»Ja, aber ich glaube nicht, dass es jemand lesen wollen würde.«
»Aber darum geht es doch gar nicht«, warf ich ein.
Daraufhin erntete ich nur einen irritierten Blick.
»Es geht nicht darum, dass du schreibst, um die Erwartungen anderer zu erfüllen. Du schreibst, weil es dir Freude bereitet. Das Beste, was du tun konntest war, eine Geschichte über ein Thema zu schreiben, das dir gefällt. Besser kann man die Schriftstellerei nicht herangehen. Da ist ganz wichtig. Vielleicht gefällt sie auch anderen und, wer weiß, vielleicht kannst du deine Geschichte auch veröffentlichen. Und wenn nicht, dann schreibst du eine neue Geschichte und probierst etwas anderes aus.«
In Melissa Gehirn arbeitete es angestrengt. Ich erkannte, dass ich bis zum Äußersten gehen musste: »Wenn du willst, lese ich deine Geschichte mal oder das, was du bereits fertig hast.« Ich hasste Geschichten über Herz-Schmerz-Vampire.
Melissas Widerstand zerbarst just in dem Augenblick, in dem ich anbot, sie beim Schreiben zu unterstützen.
»Das würden Sie tun?«, fragte sie. »Ich meine,
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