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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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einreisen in die USA.
    »Hallo! Mr. Samson? Hatten Sie einen angenehmen Flug?«
    Einen Kaugummi im Mund, sonnengebräunt, dreißig Jahre alt

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    schätzungsweise, geduldige Augen, Latexhosen, einen halbaufgegessenen Hamburger und eine halbgelesene Taschenbuchausgabe von »Krieg und Frieden«: alles, was man braucht, wenn man jemanden von LAX abholen will. Wir gingen durch das Gedränge vor dem Ankunftsgebäude und in das Gewühl von Privatwagen, Taxis und Autobussen, auf die man in dieser weitläufigen Stadt ohne Stadtbahn angewiesen ist.
    »Buddy Breukink«, stellte der Mann sich vor. Er schnippte einen Finger in Richtung des verbeulten Metallkoffers, den ich mir vom Gepäckkarussell an Land gezogen hatte. »Haben Sie weiter kein Gepäck?« Wenn ich das noch oft hören muss, dachte ich, fange ich noch an, mich unterprivilegiert zu fühlen.
    »Allerdings«, sagte ich. Er nahm meine Reisetasche und den Blechkoffer. Ich wusste nicht, ob ich ihm die Sachen nicht höflich wieder aus der Hand reißen sollte. Es war unmöglich, zu entscheiden, ob er einfach ein Fahrer war, den man geschickt hatte, mich abzuholen, oder eine Führungskraft, die meine Rechnungen bezahlen und mir Befehle geben würde.
    Die US von A sind so. Er marschierte los, und ich folgte ihm.
    Er hatte sich nicht den vorgeschriebenen Formalitäten unterzogen, aber ich bestand auch nicht darauf. Er sah nicht aus wie der Typ, der regelmäßig die Vorschriften studiert.
    »Hungrig? Wir müssen ungefähr eine Stunde weit fahren.«
    Er hatte ein verschmitztes Lächeln, mit dem er aussah, als wisse er etwas, das die übrige Welt nicht wusste. Es war bestimmt nicht persönlich gemeint.
    »Ich werde es überleben«, versprach ich. Mein Blutzucker war noch nicht so niedrig, dass ich einen Flughafen-Hamburger gewollt hätte.
    »Der Buggy ist auf der anderen Straßenseite.«
    Er war ein Cafeteria-Cowboy: ein hochgewachsener schlanker Typ mit einer Unmenge guter großer Zähne, engsitzenden braunen Hosen und kurzärmeligem weißem

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    Hemd sowie einem großen braunen Stetson mit einem Hutband aus bunten Federn. Passend zu diesem Kostüm war der Wagen, in den Buddy Breukink kletterte, ein Jeep, ein fabrikneuer Wrangler mit Stoffdach, ausgerüstet mit Telefon, einem Kennzeichen mit seinen Initialen – BB GUN – und Überrollbügel.
    Er warf mein Gepäck und Tolstoi auf den Rücksitz, ehe er sehr sorgfältig den Stetson in einer Hutschachtel dort verstaute.
    Dann stieg er ein und drückte eine Menge Knöpfe, ein codiertes Signal, mit dem er sein Autotelefon wieder benutzbar machte. »Man muss aufpassen, dass von diesen Parkwächtern keiner stundenlange Ferngespräche mit seinen Leuten in Bogota führt«, sagte er in einem Ton, als fände er es in Ordnung, wenn einer auf seine Kosten mal kurz in Mexico City anrief. Er lächelte vor sich hin und fegte ein halbes Dutzend Tonbandkassetten vom Beifahrersitz in eine Schachtel. Als er den Zündschlüssel drehte, begann der Rekorder »Pavarotti’s Greatest Hits« zu spielen, oder genauer gesagt »Funiculi, Funicula«, aber fortissimo, so dass man um seine Trommelfelle fürchten musste. »Das ist irgendwie klassisch«, erklärte Buddy fast entschuldigend.
    Ungeduldig ließ er den Motor aufheulen. »Also los!« schrie er noch lauter als Pavarotti; und ehe ich noch meinen Gurt angelegt hatte, qualmten die Reifen versengt, und wir waren aus dem Parkplatz draußen und auf dem Highway.

    Ich war in der Neuen Welt angelangt und fand sie ebenso verwirrend wie einst Kolumbus. In dieser Gegend hier war schon Frühling, die Luft war warm, und der Himmel hatte jenes helle Blau, das ein heftiges Ansteigen der Temperatur verheißt. Die lärmenden Straßen des Zentrums waren voller schwarzer, röhrender Porsches und weißer Rolls-Royce-Kabrioletts, dazwischen flitzten Jungen auf Rollschuhen hin

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    und her, und die hübschen Mädchen stellten sich in Shorts und knappen Blusen zur Schau.
    Die Rampe hinauf. Auf der Schnellstraße, die die ganze Stadt überbrückt, war von der Anarchie der Straßen unten nichts mehr zu bemerken. Von ein paar Jungen abgesehen, die in einem verbeulten Pick-up vorüberrasten, hielten sich die Leute diszipliniert an die gewählte Spur und fuhren mit mäßiger Geschwindigkeit. Der Fahrtwind heulte durch die offenen Seiten des Jeeps und drohte, mich aus meinem Sitz zu blasen. Ich duckte mich tiefer hinter die Windschutzscheibe.
    Buddy drehte die Musik lauter, sah mich an und

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