Geliebte der Finsternis
betreten
hatten, erregten sie Aufsehen. Daran waren sie gewöhnt. Natürlich sahen die Leute nicht jeden Tag zwei fast eins neunzig große Frauen. Ganz zu schweigen von Kats hinreißender Schönheit. Wenn Cassandra den Eindruck erwecken wollte, ihre Freundin hätte nichts mit Hollywood zu tun, müsste sie ihr den Kopf abhacken.
Aber da ein kopfloser Bodyguard ziemlich nutzlos wäre, musste Cassandra notgedrungen die Gesellschaft einer Frau tolerieren, die eigentlich für LA Models jobben müsste.
Vor der Bürotür nickten die Sicherheitsbeamten ihnen zu und winkten sie durch.
Cassandras Vater war der berühmte Jefferson T. Peters von Peters, Briggs and Smith Pharmaceuticals, einer der größten pharmazeutischen Forschungs- und Produktionsfirmen.
Auf dem Weg durch den langen Korridor begegneten ihnen mehrere Leute, die Cassandra neidische Blicke zuwarfen, weil sie die einzige Erbin ihres Vaters war. Alle dachten, sie hätte es geschafft.
Wenn sie bloß wüssten …
»Guten Tag, Miss Peters«, grüßte seine Assistentin, als sie endlich im zweiundzwanzigsten Stockwerk ankamen. »Soll ich Ihren Vater verständigen?«
Cassandra lächelte die attraktive schlanke Frau an, die wirklich sehr nett war, aber ihr stets das Gefühl gab, sie müsste zehn Pfund abnehmen. Verlegen strich sie ihre wirren Locken aus der Stirn. Tina gehörte zu den Menschen, die stets makellos aussahen - kein einziges Haar am falschen Platz.
In ihrem untadeligen Ralph Lauren-Kostüm verkörperte sie das gerade Gegenteil von Cassandra, die ihr College-Sweatshirt und Jeans trug.
»Ist er allein?«
Tina nickte.
»Dann gehe ich einfach rein und überrasche ihn.«
»Ja, tun Sie das. Sicher wird er sich freuen.«
Tina kehrte zu ihrer Arbeit zurück, und Kat setzte sich auf den Stuhl neben dem Schreibtisch, um zu warten, während Cassandra die geheiligte Workaholic-Domäne ihres Vaters betrat.
In dem modern ausgestatteten Raum herrschte eine »coole« Atmosphäre. Doch ihr Vater war keineswegs kaltblütig. Leidenschaftlich hatte er ihre Mutter geliebt. Und seit Cassandra zur Welt gekommen war, verwöhnte er sie geradezu maßlos.
Er sah außergewöhnlich gut aus. Durch sein kastanienbraunes Haar zogen sich distinguierte graue Strähnen. Mit neunundfünfzig Jahren wirkte er so fit und vital, dass man ihn auf Anfang vierzig schätzen würde.
Obwohl sie gezwungenermaßen nicht bei ihm aufgewachsen war - wegen der Gefahr, die Apolliten könnten sie aufspüren, wenn sie irgendwo zu lange blieb - hatte er sich niemals allzu weit von ihr entfernt. Nicht einmal, wenn sie auf die andere Seite der Welt gereist war. Nur ein paar Flugstunden hatten sie getrennt. Und sie waren stets in telefonischer Verbindung gewesen.
Im Lauf der Jahre hatte er immer wieder unerwartet mit Geschenken und Umarmungen vor ihrer Tür gestanden. Manchmal mitten in der Nacht, manchmal mitten am Tag.
In der Kindheit hatte sie oft mit ihren Schwestern gewettet, wann er wieder auftauchen würde. Niemals hatte er seine Töchter im Stich gelassen und keinen einzigen Geburtstag vergessen.
Cassandra liebte ihn mehr als sonst jemanden auf der
Welt, sie wagte sich gar nicht vorzustellen, was mit ihm geschehen mochte, wenn sie in acht Monaten sterben würde. Wie so viele Apolliten … Zu schmerzlich entsann sie sich, wie verzweifelt er gewesen war, als er ihre Mutter und ihre vier älteren Schwestern begraben hatte.
Jeder einzelne Verlust brach ihm fast das Herz. Insbesondere die Autobombe, die Cassandras Mutter und die beiden letzten Schwestern getötet hatte.
Würde er einen weiteren Schicksalsschlag verkraften?
Entschlossen verbannte sie den beängstigenden Gedanken und ging zu seinem Schreibtisch aus Glas und Stahl.
Er telefonierte gerade. Aber sobald er von seinen Papieren aufblickte und Cassandra sah, beendete er das Gespräch. Seine Miene erhellte sich, er sprang auf und umarmte sie.
Dann rückte er sie ein wenig von sich ab und musterte sie besorgt. »Was machst du hier, Baby? Solltest du nicht bei deinen Vorlesungen sein?«
Beruhigend tätschelte sie seine Hand, schob ihn hinter den Schreibtisch zurück und sank in einen der komfortablen Sessel, die davor standen. »Ja, wahrscheinlich.«
»Warum kommst du zu mir? Es passt nicht zu dir, deine Vorlesungen zu versäumen, nur um mich zu besuchen.«
Lächelnd erinnerte sie sich an Kats ähnlichen Kommentar. Sollte sie ihre Gewohnheiten ändern? Ja, vielleicht. In ihrer Situation könnte sie sich in Gefahr bringen, wenn sie
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