Geliebte der Nacht
seinem festen Blick standzuhalten. „Und mir gefällt nicht, was ich sehe.“
Sein Lächeln zeigte keine Spur von Mitleid. „Du wünschst dir, du könntest das Gleiche über die Gefühle sagen, die ich in dir auslöse.“
Ihr war unklar, wie er das machte – wie er sich in der Zeit, die sie brauchte, um einmal zu blinzeln, so schnell bewegen konnte – aber noch im selben Augenblick strich Lucans Atem über die Stelle direkt unter ihrem Ohr, und seine tiefe Stimme grollte an ihrem Hals, als er seinen Körper gegen ihren presste.
Es war zu viel auf einmal. Diese erschreckende neue Realität, all die Fragen, von denen sie nicht einmal annähernd wusste, wie sie sie stellen sollte. Und dann diese Verwirrung, ausgelöst durch die unwiderstehliche Macht von Lucans Berührung, seiner Stimme, seiner Lippen, die sacht ihre Haut streiften.
„Hör auf damit!“ Sie versuchte ihn wegzustoßen, aber er stand fest wie eine Mauer aus Muskeln und cooler, finsterer Entschlossenheit. Er hielt ihrem Zorn stand, die nutzlosen Schläge, mit denen sie gegen seine Brust trommelte, schienen ihm nicht das Geringste auszumachen. Seine gelassene Miene blieb so reglos wie sein Körper. Sie wich zurück, frustriert und gequält. „Gott, was versuchst du hier zu beweisen, Lucan?“
„Nur dass ich nicht das Monster bin, für das du mich gern halten möchtest. Dein Körper kennt mich. Deine Sinne sagen dir, dass du bei mir in Sicherheit bist. Du musst nur auf sie hören, Gabrielle. Und du musst auf mich hören, wenn ich dir sage, dass ich nicht hier bin, um dir Angst zu machen. Ich werde dich nie angreifen, und ich werde auch niemals dein Blut trinken. Ich schwöre bei meiner Ehre, ich werde dir nie etwas tun.“
Sie lachte halb erstickt auf, eine automatische Reaktion bei der Vorstellung, dass ein Vampir so etwas wie Ehre haben und mit solchem Ernst darauf schwören konnte. Aber Lucans Blick war unerschütterlich und ernst. Vielleicht war sie verrückt, denn je länger sie seinem silbernen Starren standhielt, desto schwächer wurden ihre Zweifel, an denen sie so verzweifelt festzuhalten suchte.
„Ich bin nicht dein Feind, Gabrielle. Seit Jahrhunderten haben meine und deine Art sich gegenseitig gebraucht, um zu überleben.“
„Ihr nährt euch von uns“, flüsterte sie niedergeschlagen, „wie Parasiten.“
Ein Schatten glitt über seine Züge, aber er ließ sich von ihrem abschätzigen Vorwurf nicht provozieren. „Wir haben euch auch beschützt. Und manche von meiner Art haben sogar deinesgleichen geliebt und mit ihnen als im Blut verbundene Paare das Leben geteilt. Nur so kann das Vampirvolk fortbestehen. Ohne menschliche Frauen, die unsere Kinder zur Welt bringen, würden wir irgendwann aussterben. So bin auch ich entstanden, und alle anderen, die wie ich sind.“
„Ich verstehe nicht. Warum könnt ihr euch nicht mit Frauen eurer eigenen Art … verbinden?“
„Weil es keine gibt. Durch ein genetisches Defizit sind alle Nachkommen des Stammes männlich, vom Allerersten der Blutlinie über Hunderte von Generationen bis heute.“
Diese letzte Enthüllung nach all den erstaunlichen Neuigkeiten gab ihr zu denken. „Das bedeutet dann also, dass deine Mutter ein Mensch ist?“
Lucan nickte leicht. „Das war sie.“
„Und dein Vater? War ein …“
Bevor sie das Wort Vampir aussprechen konnte, antwortete Lucan: „Mein Vater und die sieben anderen Alten, die wie er waren, stammten nicht von dieser Welt. Sie waren die ersten Angehörigen meines Volkes, Wesen von einem anderen Ort, der sich von diesem Planeten stark unterschied.“
Es dauerte einen Moment, bis die Bedeutung seiner Aussage zu Gabrielle durchdrang. Es gab schon so viel, was sie im Augenblick verdauen musste. „Was willst du damit sagen – dass sie Aliens waren?“
„Sie waren Forscher. Eigentlich wilde, kriegerische Eroberer, die vor sehr langer Zeit eine Bruchlandung auf der Erde gemacht haben.“
Gabrielle starrte ihn an. „Dein Vater war nicht nur ein Vampir, sondern auch noch ein Außerirdischer? Hast du eine Ahnung, wie irre das klingt?“
„Es ist die Wahrheit. Das Volk meines Vaters nannte sich nicht Vampire, aber nach menschlicher Definition waren sie das. Ihr Verdauungssystem war zu fortgeschritten für das primitive Eiweiß der Erde. Sie konnten die Pflanzen und Tiere nicht verarbeiten, wie es die Menschen taten, also lernten sie, sich von Blut zu ernähren. Sie sättigten sich ohne jede Zurückhaltung und löschten dabei ganze Populationen
Weitere Kostenlose Bücher