Geliebte des Feuers
sanft in den Hintern. Dean duckte sich und tauchte dann kopfüber in das Loch hinab.
Zuzusehen, wie er einfach so verschwand, erschreckte sie, und wieder musste sie erleben, wie sich ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit veränderte. Aber sie hatte keine Zeit, lange zu staunen, weil das Hemd plötzlich so fest an ihrem Gelenk ruckte, dass sie fast ebenfalls in das Loch gestürzt wäre. Der Zug war unglaublich stark. Miri lehnte sich mit aller Kraft zurück, bis sie fast rücklings im Wasser lag, und stöhnte, während ihre Beine vor Anstrengung zitterten. Sie spürte eine Vibration, die über das Hemd übertragen wurde, dann Bewegungen. Im nächsten Moment ließ der Zug ein wenig nach, und ein Kopf tauchte aus dem Wasser auf. Mit rotem Haar. Robert schoss keuchend hoch und zog sich an dem Hemd hinauf, bis er die Arme auf dem Boden aufstützen konnte. Seine untere Körperhälfte steckte noch im Loch.
»Dean!«, schrie Miri. »Helfen Sie mir!«
Robert stemmte sich aus dem Loch hoch, drehte sich um und packte das Hemd mit beiden Händen. Er zerrte mit aller Kraft daran, drängte sich an Miri, bis deren Beine geradezu auf seine Ohren drückten, und gemeinsam zogen sie, bis Miri einen Fuß auftauchen sah, einen wunderschönen Fuß, dann ein Bein, eine Taille, und endlich, endlich!, kam auch Deans Kopf zum Vorschein. Sie lagen übereinander, erschöpft, keuchend und völlig durchnässt.
Robert hustete und spuckte Wasser aus. Dean ebenfalls. Miri hatte das Gefühl, am Rande eines Herzinfarkts zu stehen.
»Also«, meinte Robert schließlich. »Das war Falle Nummer eins.«
»Es fühlte sich an, als wärt ihr beide von etwas festgehalten worden«, sagte Miri.
Dean rollte sich auf die Seite. »Ich glaube, wir gehen hier über eine Art Schelf. Unter uns fließt noch mehr Wasser. Es ist sogar ein reißender Strom.«
»Ich habe mich gerade noch an einem Felsbrocken festhalten können, bevor ich ganz hineingezogen wurde«, erklärte Robert, »aber meine untere Körperhälfte war in der Strömung gefangen. Ich konnte mich nicht wieder hochziehen.«
»Es muss hier noch mehr von diesen Fallen geben«, murmelte Miri. »Gut gemacht, Robert. Ich bin froh, dass Sie hier sind.«
»Oh, ganz meinerseits.«
Alle waren bis auf die Haut nass; Miri sah an sich herab, bemerkte, dass sich ihre Brüste deutlich unter der nassen Bluse abzeichneten, und war froh über ihre leichte Jacke.
Robert stand auf. Dean nahm Miris Hand und half ihr hoch.
Das Loch in dem Pfad war nicht sonderlich groß, etwa schulterbreit, und sie konnten ohne Schwierigkeiten darübertreten. Danach hielten sie sich an die Seiten des Tunnels und versuchten, nur dort zu gehen, wo sie den Boden klar erkennen konnten. Sie kamen an mehreren anderen dunklen Stellen vorbei, die vermutlich ebenfalls unergründlich tiefe Löcher darstellten.
Robert blieb vorn. Miri ging jetzt in der Mitte, und Dean bildete die Nachhut. Sie hatten zwar die Plätze getauscht, aber Dean ließ seine Hand ständig auf ihrer Taille oder Schulter liegen. Miri vermutete, dass er sich damit zwar vor allem selbst vergewissern wollte, dass sie in Sicherheit war, aber seine Berührung beruhigte sie auch. Sie versuchte erneut, sich vorzustellen, wie sie als Kinder gewesen waren: Sie hatte in einer dunklen Ecke gesessen, mi t schwingenden Zöpfen, während Dean versucht hatte, aus einem Strick ein Spielzeug zu basteln. Oder wie sie über Filme gesprochen hatten, oder wie Miri ihm von einem Buch erzählte, das sie gelesen hatte, unaufhörlich davon fantasierte, wie es wäre, wenn sie den Ring, das Kleidungsstück, die Magie finden würden, die sie in ein fantastisches Abenteuer weit entfernt von den schmutzigen Straßen und dem grauen Himmel über Philadelphia versetzen würde.
Und jetzt sieh uns an, dachte sie. Es hat zwanzig Jahre gedauert, aber jetzt sind wir genau da.
Ja, sie waren genau dort gelandet. Miri hätte fast laut gelacht. Es war ein gutes Lachen, frei von Ironie. Selbst jetzt noch staunte sie über Deans Gegenwart, dachte erneut, wie bemerkenswert das war, wie wundersam, dass sie sich gefunden hatten. Sie spürte, wie sie allmählich begann, diese Tatsache zu akzeptieren, diese Momente beinahe als selbstverständlich hinnahm. Das war einfach, weil es sich ebenso vertraut anfühlte, mit Dean zusammen zu sein wie mit sich selbst, als wären sie zwei Erbsen in einem Topf. So waren sie immer gewesen, unzertrennlich.
Und hier, jetzt, waren zwanzig Jahre eines ruhigen Lebens verschwunden, sie
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