Geliebte Feindin
erteilen.
Sobald sich Iwan aufrichtete, kniete sich Sara neben ihn. »Ich flehe Euch an, verzeiht mir, Sir, daß ich dieses Unglück verursacht habe. Ihr seid über meinen Sonnenschirm gestolpert, aber ich bin sicher, wenn Ihr aufgepaßt hättet, wohin Ihr Eure Füße setzt, dann hättet Ihr ihn bemerkt. Trotzdem bitte ich Euch um Vergebung.«
Iwan massierte seinen Schädel und betrachtete eingehend die hübsche Frau, die einen Teil der Schuld daran, daß er sich beinahe den Hals gebrochen hätte, auf ihn abwälzen wollte. Ihre bekümmerte Miene und die Tatsache, daß sie die Frau des Captains war, erstickte jede mögliche scharfe Erwiderung, die ihm unter anderen Umständen eingefallen wäre, im Keim.
»Es war ja nicht so schlimm«, murmelte er statt dessen. »Und Ihr habt es bestimmt nicht mit Absicht getan.«
Sein leichter schottischer Akzent gefiel Sara, sie fand seinen Tonfall sehr melodisch. »Natürlich nicht, Sir. Seid Ihr kräftig genug, aufzustehen? Ich helfe Euch.«
Sein argwöhnischer Gesichtsausdruck machte Sara eindeutig klar, daß er ihre Unterstützung nicht in Anspruch nehmen wollte. Jimbo zerrte den Koch auf die Beine, aber sobald er den Schotten losließ, begann er zu schwanken. Sara kniete noch immer neben ihm und griff in dem Augenblick nach ihrem Sonnenschirm, in dem ein anderer Matrose herbeistürzte, um Iwan zu stützen. Der arme Iwan befand sich plötzlich in einem wilden Kampf mit verschiedenen Kräften. Sein Oberkörper wurde von seinem Freund zur Seite gezogen, während der Sonnenschirm ihm gleichzeitig die Beine wegriß. Iwan mußte seine Niederlage eingestehen, als er mit dem Hinterteil zuerst auf den Planken aufschlug.
»Haut ab, alle miteinander«, brüllte er. Seine Stimme klang ganz und gar nicht mehr melodiös. »Heute abend gibt es keine Suppe, Männer. Ich hab’ mir fast den Schädel gespalten und jetzt auch noch den Arsch aufgeschlagen. Verflucht will ich sein, wenn ich nicht auf der Stelle ins Bett gehe.«
»Halt deine Zunge im Zaum, Iwan«, befahl Jimbo.
»Ja«, schrie ein Matrose. »Schließlich ist eine Lady anwesend.«
Jimbo hob Saras Sonnenschirm auf und reichte ihn ihr. Er drehte sich um, um die Szene zu verlassen, aber die nächsten Worte ließen ihn mitten im Schritt innehalten.
»Ich werde die Suppe für die Männer kochen.«
»Nein, das werdet Ihr nicht tun«, widersprach Jimbo mit einer barschen Stimme, die keinen Protest zuließ. »Ihr seid die Frau des Captains, und Ihr werdet auf keinen Fall solche niedrigen Arbeiten verrichten.«
Da sie eine Auseinandersetzung mit Jimbo in Gegenwart der anderen Männer scheute, schwieg sie, bis er gegangen war.
»Ich bereite eine gute Suppe für alle zu«, verkündete Sara noch einmal. »Iwan, würdet Ihr Euch besser fühlen, wenn Ihr Euch für den Rest des Tages ausruhen könntet? Das ist das mindeste, was ich für Euch tun kann, um Euch für den Unfall zu entschädigen.«
Iwans Laune schien sich bei dieser Aussicht ein wenig aufzuhellen. »Habt Ihr überhaupt schon einmal eine Suppe gekocht?« wollte er wissen. Er war sich selbst noch nicht ganz im klaren, ob er lachen oder sie mit einem düsteren Blick bedenken sollte.
Da sie alle so erwartungsvoll anstarrten, beschloß Sara, zu einer Lüge Zuflucht zu nehmen. Es konnte doch nicht so schwer sein, eine Suppe zustande zu bringen. »Oh, natürlich, schon oft«, prahlte sie. »Ich habe unserem Koch häufig geholfen, ganze Menüs zuzubereiten.«
»Warum beschäftigt sich eine so feine Lady wie Ihr mit solchen Arbeiten?« fragte Chester.
»Ich habe mich oft … gelangweilt, und ich habe mir damit die Zeit vertrieben«, erwiderte sie.
Die Männer machten den Eindruck, als ob sie ihrer Lüge Glauben schenken würden, und Sara wandte sich zufrieden ab.
»Seid Ihr in der Lage, mich in Eure Küche zu begleiten, Iwan? Ich würde gern sofort anfangen. Eine gute Suppe muß einige Stunden auf dem Herd stehen«, fügte sie hinzu und hoffte, daß sie damit recht hatte.
Iwan protestierte nicht, als sie seinen Arm ergriff. Er rieb sich mit der anderen Hand noch immer den Hinterkopf. »Man nennt eine Küche, die sich auf einem Schiff befindet, Kombüse und nicht Küche«, erklärte er und rief, als sie vorauseilte: »Langsam, nicht so schnell, Mädchen. Ich sehe noch immer alles doppelt.«
Sie passierten einen dunklen Korridor nach dem anderen, bis Sara sich überhaupt nicht mehr auskannte. Iwan hatte natürlich keine Schwierigkeiten, den Weg zu seinem Heiligtum zu finden.
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