Geliebte Korsarin
entdeckt haben, ist die Fremdenindustrie ein wichtiger Berufszweig. Ob in Grenada oder St. Lucia, in Jamaika oder Aruba, St. Croix oder Guadeloupe, Martinique oder Antigua – wer kann die herrlichen Inseln alle aufzählen? –, überall wachsen die Hotelpaläste in den blauen Himmel, tummeln sich die Badenden im türkisgrünen Wasser, vor Haien geschützt durch bis auf den Meeresboden reichende dicke Stahlnetze. Überall ist bei Einbruch der Dunkelheit die laue Nachtluft erfüllt vom Klang der Combos und Tanzkapellen, und überall wiegen sich Paare engumschlungen um die von innen beleuchteten Schwimmbecken, eingehüllt in den süßen Duft der Hibiskusblüten.
Eine neue Welt der Sinne, die man mit harten Dollars oder DM bezahlen muß, ist hier entstanden, ein neuer Goldfluß in die karibische See – gewissermaßen eine späte Wiedergutmachung für den Raub, der Jahrhunderte vorher diese Völker zu den ärmsten der Welt machte.
Dies alles ist zwar in Belize noch Zukunft …
Noch träumt es geruhsam dahin, und wer in Belize City im Hotel ›Fort George‹ wohnt, ist wirklich ein Individualist. Auch andere kleine Hotels bei den ausgegrabenen Mayastädten, den Badestränden von San Pedro und auf den Cays beginnen Touristen, vor allem Amerikaner, anzulocken. Es sind verstreute Plätze, wo Geselligkeit allein aus dem Trinken von Rum oder Planteur besteht, wo begeisterte Sportangler die Fische aus dem Meer holen wie im alten Europa die Bauern die Kartoffeln vom Feld, wo mutige Sporttaucher zu den versunkenen Galeonen hinabgleiten, um Münzen oder mit Muscheln überwachsene Kanonenrohre an Land zu bringen, und wo vor allem alternde Millionäre sich mit blutjungen Mädchen beschäftigen – voll der seligen Illusion, die Jugend kehre zurück, auch wenn sie eine Menge Dollars kostet.
Das alles ist auf Belize und seinen Inseln ein normaler Tagesablauf, ohne Hektik, die hier keiner will, ohne Überanstrengung, die man als Gift betrachtet … Man lebt mit seinem sonnigen Gemüt in den Tag hinein und bedauert höchstens die Kameraden von Jamaika, die zwar viel Geld verdienen, aber dafür auch Tag und Nacht für die Fremden bereitstehen müssen.
Auch Dr. Rainherr ließ man zunächst in Ruhe. Weder Fernando noch Dr. Casillas bekam er zu Gesicht – nach ihnen sehnte er sich auch nicht. Was ihn aber beunruhigte, war, daß Mary-Anne sich nie mehr blicken ließ.
War sie wirklich mit ihrer Piratenyacht wieder unterwegs zu den karibischen Inseln, um Millionäre auszurauben? Setzte sie ihr Leben fort?
Warum auch nicht, dachte Rainherr. Bist du alter Esel so eingebildet zu glauben, deine Gegenwart allein könne eine Frau wie Mary-Anne beeinflussen, ihr Millionengeschäft aufzugeben?
Am dritten Tag erhielt er Besuch.
Sein Steuermann Juan Noales kam ins Zimmer und wäre seinem Chef vor Freude fast um den Hals gefallen. Er sah gut aus, war unverletzt, trug seine weiße Stewarduniform … man hatte ihn also gut behandelt.
»Dem Schiff geht es gut«, berichtete er, als er mit Rainherr zusammensaß, während der Negerboxer auf der Terrasse mit einem Unterwasserstaubsauger den Swimming-pool reinigte. »Ich habe die Maschine wieder so flott bekommen, daß wir auslaufen könnten. Sogar die Funkanlage funktionierte wieder. Ich habe Röhren und Schaltkreise aus den zwei Walkie-Talkies ausgebaut und versucht, sie in die Sendeanlage einzubauen. Es hat geklappt! Die Verständigung ist leiser, aber verständlich.«
»Du hast Annette angerufen?« fragte Rainherr.
»Ja, Chef. Sofort, als es klappte. Miss Annette war sehr tapfer …«
»Du lieber Himmel! Hast du ihr etwa alles erzählt?«
»Natürlich.«
»Und wie hat sie reagiert?«
»Miss Annette antwortete, daß sie mit Ihnen bereits gesprochen habe. Vater hat mich zwar belogen, sagte sie, aber er wird schon wissen, warum.«
»Fabelhaft! Ein tolles Mädchen!« sagte Rainherr stolz. »Sie alarmiert nicht die Polizei oder die Marine?«
»Nein, noch nicht.«
»Was heißt das?«
»Sie wartet auf weitere Nachrichten.«
»Hast du ihr erzählt, daß der Kommandeur der Piraten eine Frau ist?«
»Nein, Chef.« Juan grinste breit. »Ich wußte, daß Ihnen das nicht recht wäre.«
»Juan, du bekommst von mir auf Cayman Brac ein besonders schönes Haus gebaut!«
»Danke, Sir.« Er trank den Rumpunsch, den Rainherr gebraut hatte, und betrachtete den Meisterboxer, der das Schwimmbecken reinigte. »Ich bin schon zwei Tage im Haus und habe keine Ruhe gegeben, bis man mich zu Ihnen führte,
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