Geliebte Schwindlerin
Koh-i-noor als Glücksbringer!“ spottete Natty.
Alle lachten und mußten daran denken, daß Königin Victoria im vergangenen Jahr anläßlich ihres diamantenen Jubiläums als wertvollstes Geschenk den Koh-i-noor-Diamanten erhalten hatte, über den sich sämtliche Zeitungen ausgelassen hatten und der dem Vernehmen nach in die Königskrone eingearbeitet worden war.
Es war mittlerweile spät und laut draußen auf dem Gang geworden. Außerdem steckte ständig jemand den Kopf zur Tür herein, um den Mädchen etwas zuzurufen.
Sie schlüpften in ihre Kostüme, die sie auf der Bühne trugen, und Connie wies Emily, die Garderobiere, an, Minellas Gesicht dezent zurechtzumachen.
„Kann sie das nicht selber machen?“ murrte Emily.
„Tut mir leid, daß ich Ihnen solche Umstände mache“, entschuldigte sich Minella höflich.
„Ist schon in Ordnung“, sagte Emily gutmütig. „Ist ein bißchen schwierig, wenn man sich nicht auskennt damit.“
„Nicht zu dick auftragen!“ warnte Connie. „Natty hat ihre Garderobe auf ihre jugendliche Erscheinung abgestimmt. Sie soll als Rosenknospe erscheinen, nicht als vollerblühte Rose!“
„Ich verstehe mein Handwerk!“ fuhr Emily sie an. „Auf jeden Fall werde ich zu verhindern wissen, daß sie aussieht wie ihr!“
„Wunderbar!“ gab Nellie zurück. „Wir können nicht noch mehr Konkurrenz gebrauchen. Es gibt hier wirklich schon genug davon.“
Darüber lachten sie alle, bis jemand energisch an die Tür klopfte und, ohne eine Antwort abzuwarten, eintrat.
„Darf ich stören?“ fragte der Besucher.
„O Archie!“ rief Connie überschwenglich aus. „Bin ich froh, daß du da bist! Du mußt uns unbedingt helfen.“
„Stets zu Diensten, Madame!“
Der Mann betrat die Garderobe und machte auf Minella einen sehr selbstbewußten Eindruck. Er war hochgewachsen, dunkelhaarig und mochte Mitte dreißig sein. Im Knopfloch trug er eine Gardenie und Manschettenknöpfe mit echten Perlen. Seine Aufmachung erinnerte Minella an ihren Vater, wenn er etwas Wichtiges vorgehabt hatte, und sie hatte plötzlich solche Sehnsucht nach ihm, daß ihr Tränen in die Augen stiegen.
„He, vorsichtig!“ fuhr Emily sie an. „Wenn deine Augen tränen, zerläuft die Wimperntusche.“
Minella hatte ganz vergessen, daß die Frau ihr die Wimpern mit Maskara getuscht hatte, was ihre Augen noch größer erscheinen ließ, als sie ohnehin schon waren.
Als sie sich im Spiegel betrachtete, mußte sie zugeben, daß Emily sich große Mühe gegeben hatte.
Ihre Haut wirkte noch zarter als sonst, und auf ihren Wangen lag nur ein Hauch von Rouge, so daß ihr Gesicht nicht so aufgeputzt wirkte wie das von Connie und den anderen Mädchen.
„Hör mal zu, Archie“, sagte Connie gerade. „Katy ist krank geworden und kann nicht mitkommen.“
„Heißt das etwa, die Party fällt ins Wasser?“ fragte Archie.
„Nein, und es wird auch kein Mißerfolg werden. Ich habe eine Freundin von mir dazu überredet, mitzukommen, und bin überzeugt davon, daß sie sich als vollwertiger Ersatz erweisen wird.“
„Cosmo wird das nicht gefallen!“ sagte Archie überzeugt.
„Er kann nichts dagegen machen“, erwiderte Connie. „Außerdem wäre es viel schlimmer, wenn wir zu wenig wären, wie du selbst zugeben mußt.“
„Ja, da hast du wohl recht“, erwiderte Archie.
„Dann will ich dich meiner Freundin vorstellen, damit du dich bei ihr als unseren Rettungsanker bedanken kannst.“
Sie zog Archie am Arm mit sich fort zum Spiegel, vor dem Minella Platz genommen hatte, um sich Emilys geschickten Händen anzuvertrauen. Sein Gesicht lächelte sie im Spiegel an, und sie erwiderte sein Lächeln.
„Darf ich in aller Form vorstellen“, sagte Connie. „Minella, das ist Lord Archibald Connington – Miß Minella Moore.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte Minella artig.
„Wir sind uns zwar noch nie zuvor begegnet, aber ich bin entzückt über Ihre Liebenswürdigkeit, die Retterin in der Not zu spielen, wie Connie es ausdrückte“, sagte er höflich. „Es gibt nichts Schlimmeres als eine Party, auf der eine Frau zuwenig ist.“
„Es sei denn, es ist ein Mann zuwenig“, warf Nellie ein.
Durch das Eintreten weiterer Besucher wurde er einer Antwort enthoben. Auch sie erfuhren die traurige Geschichte von Katys Krankheit und die erfreuliche Neuigkeit, daß Minella ihren Platz einnehmen werde. Da man ihr die beiden Herren nicht offiziell vorstellte, dauerte es eine Weile, bis sie herausfand, daß es
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