Geliebte zweier Welten: Roman (German Edition)
nackte Oberkörper war von Wunden übersät, die die Hose mit Blut tränkten, und die kreuzförmig ausgebreiteten Arme blieben in dieser Stellung, da die Handgelenke mit ein paar Nägeln an das Holz genagelt waren. Wenn sie weiter nach oben schaute, so dachte Aileen, würde sie zu weinen anfangen, wenn er obendrein noch eine Dornenkrone auf dem Kopf hatte. Aber auch wenn Calebs Antlitz, denn es war Caleb, blutverschmiert und völlig zerschnitten war, so hatte er doch keine Dornenkrone auf.
Als sie in seine Augen blickte, schluchzte sie niedergeschlagen. »Caleb, was haben sie mit dir gemacht?«
»Weine nicht, Kleines«, sagte Samael und packte sie unwirsch an den Haaren. »Das hat er verdient. Er allein hat mehr als fünfzehn meiner Männer auf dem Gewissen, und außerdem hat er dich in Gefahr gebracht, nachdem ich ihm gesagt habe, das ich dich umbringen würde, sollte er sich wehren.«
»Caleb … Bist du … Bist du …?«, überging Aileen seine Bemerkung.
»Mach dir keine Sorgen, Álainn «, flüsterte Caleb und zwang sich zu einem Lächeln.
Samael drehte sich um und verpasste ihm einen Faustschlag in den Magen. Caleb ächzte und wurde ganz blass.
»Hör auf, du verdammtes Schwein!«, schrie Aileen.
Samael blickte sie wütend an. »Kein Wort mehr! Hast du verstanden? Es sei denn, du willst, dass ich ihn vor deinen Augen verunstalte.«
Aileen verzog den Mund. Sie würde tun, was verlangt war, damit Caleb nicht noch mehr leiden musste.
»Was willst du von uns, Samael?«, fragte Caleb und rang nach Luft.
»Das habe ich dir bereits gesagt, du Verlierer. Eigentlich gar nichts. Ich will nur vorführen, was ich herausgefunden habe, und dafür benötige ich sie. Wenn ich dann gezeigt habe, dass meine Vermutungen stimmen, dann werde ich dich nicht mehr brauchen, Aileen aber bei mir behalten.«
Caleb brüllte und jaulte auf wie ein verletztes Tier, warf sich hin und her in dem Versuch, sich selbst von diesem Kreuz zu befreien und die Nägel zu lösen, doch jeder Zug an seinem Fleisch brachte neue Risse mit sich.
»Caleb …«, schluchzte Aileen. Nicht ihretwegen, sondern weil sie ihn so verzweifelt sah.
Sie schloss die Augen und versuchte eine mentale Verbindung mit ihm herzustellen, aber als sie das tat, wurde sie von Samael gepackt und bekam von ihm einen Faustschlag mitten ins Gesicht verpasst.
»Du verdammtes Arschloch, du …«, brüllte Caleb an ihrer Stelle verletzt und gekränkt. »Ich bringe dich um, wenn du sie noch einmal anfasst …«
Aileen, die das Blut ihrer aufgeplatzten Lippe ausspuckte, riskierte einen Blick auf Samael.
Samael zog einen Dolch aus seiner dunklen Hose. Seinen persönlichen Dolch. Er setzte die Spitze wenige Zentimeter über Aileens Bauchnabel an und wartete auf Calebs Reaktion. Aileen schnappte nach Luft, zog den Bauch ein, und Caleb beruhigte sich sofort.
Entweder das. Oder er würde zusehen müssen, wie Samael Aileen Schmerzen zufügte.
»Gut«, lächelte Samael. »Ich sehe, du verstehst die Sprache, die ich spreche. Hört auf, euch gegenseitig aufzumuntern.« Beschuldigend blickte er sie an. »Denk nicht daran, mental mit ihm zu sprechen. Weder mit ihm noch mit sonstigen Berserkern oder Vanir, hast du verstanden? Ich spreche in derselben Frequenz und bemerke das. Wenn du versuchst, jemanden über das zu informieren, was passiert ist, dann bringe ich ihn ganz einfach um.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber das wäre wirklich schade, denn dann kann er nicht sehen, was wir mit dir vorhaben.«
Mikhail tauchte an Samaels Seite auf. Er brachte einen schwarzen Koffer, war selbst ganz bleich und hatte tiefe Ringe unter den Augen. Es war nicht ganz einfach gewesen, Aileen zu überwältigen, und dadurch, dass Samael ihn nicht nährte, sah er sich gezwungen, menschliches Blut zu trinken. Das Blut hielt ihn am Leben, doch da sie nicht dasselbe Hämoglobin hatten, das er benötigte, um die Eigenschaften der Vanir beizubehalten, verwandelte er sich nach und nach in einen Vampir.
»Warum tust du das, Samael?«, fragte Aileen bekümmert und ängstlich.
»Möglich, dass ich es einfach satthabe«, erwiderte er schlicht und einfach. »Öffne den Koffer, Mikhail. Möglich, dass ich genug davon habe, ein Leben im Schatten zu verbringen, versklavt von einem Wesen, das sehr viel schwächer und weniger einflussreich ist als ich. Was macht das für einen Sinn? Ich lebe schon seit so vielen Jahrzehnten, dass ich genug Zeit hatte, die Herrlichkeit der Menschen zu sehen, und mir reicht es,
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