Geliebter Bodyguard
unablässig, doch sein Herz war eiskalt.
„Ich bin am nächsten Morgen wie immer zur Schule gegangen“, berichtete sie rau. „Das war sicherer. Aber man musste es mir wohl angesehen haben, denn meine Englischlehrerin, Miss Toner, sprach mich an, ob alles in Ordnung mit mir sei. Da wurde mir klar, dass ich Mom nicht mehr zu beschützen brauche. Also erzählte ich ihr alles.“
Von da an ging alles sehr schnell. Die Lehrerin brachte Elle zum Rektor, der Rektor verständigte den Sheriff. Ihr Stiefvater wurde verhaftet. Elle, inzwischen sechzehn, brauchte nicht als Zeugin auszusagen, da Willy Joe ein Geständnis ablegte. Er sagte, nur sein Gott habe das Recht, über ihn zu urteilen.
„Man verurteilte ihn zu fünfzig Jahren Haft, und Miss Toner versicherte mir, dass er mir nie wieder wehtun könne …“
„Aber sie hat sich geirrt“, meinte Falco tonlos. „Wann ist er entlassen worden?“
„Vor sechs Monaten. Er fand heraus, wo ich wohne, schickte mir dieses schreckliche Foto. Schrieb mir, dass ich bezahlen müsse, weil ich ihn und seinen Gott verleumdet hätte. Dann, in der Nacht, bevor du kamst, rief er mich an …“
„Oh, Baby. Warum bist du nicht zur Polizei gegangen?“
„Verstehst du denn nicht? Niemand weiß davon, niemand außer dir, Falco. Das alles noch einmal durchleben zu müssen … Die ganze Welt würde davon erfahren.“ Sie erschauerte. „Bis zu Willy Joes Verhaftung war ich Ellie Janovic. Am nächsten Tag nahm ich den Bus nach New York und wurde zu Elle Bissette. Ich werde nie wieder diese andere Person sein.“
„Ich verstehe, Baby.“ Und er verstand es wirklich.
Elle hatte Schreckliches erleben müssen. Sollten die Medien Wind davon bekommen, würde sie erneut zum Opfer werden.
Er hätte sie gern für immer gehalten, doch das war unmöglich. Das Untier musste besiegt werden. Um das zu erreichen, musste er seine Rage zügeln und sich auf seine Qualitäten berufen.
Disziplin. Selbstbeherrschung. Logik. Das waren immer die Grundpfeiler seiner Existenz gewesen.
Und bis er den verdammten Mistkerl zur Strecke gebracht hatte, würde er diese Eigenschaften mehr denn je brauchen.
12. KAPITEL
Es war ein magischer Abend gewesen.
Doch am nächsten Morgen hatte sich alles geändert. Alles, einschließlich Falco.
Er war … abwesend.
Elle fiel kein anderes Wort ein, um sein Verhalten zu beschreiben. Er war körperlich präsent, doch mit seinen Gedanken meilenweit weg. Es gab keine langen Strandspaziergänge mehr, kein unbeschwertes Lachen, keine Ausflüge ins Hinterland.
Irgendetwas stimmte nicht. Die Frage war, was?
Der Wechsel hatte sich abrupt vollzogen. Falco war so wunderbar in jener Nacht gewesen, so zärtlich. Hatte sie gehalten und gestreichelt und getröstet, bis sie eingeschlafen war. Im Morgengrauen war er aus dem Bett geschlüpft. Sie hatte angenommen, er wolle zur Toilette, doch dann hörte sie das Rascheln von Stoff und sah, wie er T-Shirt und abgeschnittene Jeansshorts anzog.
Komm zurück zu mir, hätte sie fast gefleht, doch er bewegte sich so vorsichtig und leise, dass sie schwieg. Albern eigentlich, weil er sie sicherlich nur nicht aufwecken wollte. Doch als er das Zimmer verließ, ohne ihr auch nur einen flüchtigen Kuss zu geben, hatten sich die ersten Zweifel gemeldet.
Hatte er durch ihr Geständnis seine Meinung über sie geändert?
Nein, das war ja verrückt. Falco war kein solcher Mensch. Also zog Elle sich an und ging ihn suchen. Er war weder in der Küche noch im Atrium, im ganzen Haus war er nicht zu finden.
Schließlich erblickte sie ihn am Strand, wo er scheinbar einen Anruf nach dem anderen von seinem Handy aus tätigte. Als er das kleine Gerät endlich zur Seite legte, riss er sich das T-Shirt über den Kopf und machte einhundert Liegestütze. Danach einhundert Kniebeugen. Schließlich führte er eine Reihe von wilden Bewegungen aus, die wie eine Kombination von Kickboxen, Kung-Fu und Taekwondo aussahen.
Schweiß schimmerte auf seinem Körper. Auf seinem wunderbaren Körper, von dem Elle jeden Zentimeter genauestens kannte – und doch schien ihr selbst sein Körper plötzlich verändert. Schön und wunderbar, sicher, aber … jäh erkannte sie auch, dass dieser Körper als Waffe dienen konnte.
Sie ging zurück ins Haus und wartete auf ihn.
„He“, grüßte sie ihn so unbeschwert sie konnte, als er endlich zurückkam. „Was treibst du da eigentlich?“
„Ich habe die Dinge schleifen lassen“, antwortete er. „Ich mache das wieder
Weitere Kostenlose Bücher