Geliebter Feind
konnte sie das anerkennen, doch andererseits … Er war intelligent genug, dass er sich hätte denken können, wie sehr sie es bereuen würde. Dennoch hatte er sich ohne Zögern genommen, was sie ihm mehr oder weniger angeboten hatte.
Sie stand in der Schlafzimmertür, als er aus dem Bad zurückkam. „Mir ist klar, dass du nicht verstehen kannst, was ich fühle“, brachte sie stockend hervor. „Aber ich habe einmal geliebt, und meine Liebe wurde von diesem ganz besonderen Menschen erwidert. Heute Abend habe ich diese Verbindung verraten, mit einer Intimität, die leer und bedeutungslos war.“
Nikolai hatte noch nie eine tiefere Bedeutung im Sex gesucht. Diese Erklärung von ihr trieb die Beleidigung noch tiefer in sein Fleisch, wurde er dadurch doch auf einen niederen Rang verwiesen. „Dein Mann ist seit sechs Jahren tot. Du solltest längst darüber hinweggekommen sein und mit deinem Leben weitergemacht haben.“
„So einfach ist das nicht.“
„Dass du dich an einen Toten klammerst, wird es nicht leichter machen“, konterte er trocken.
„Ich glaube, du hast noch nie geliebt.“
Nikolai überlegte. „Keine Frau, nein. Meinen Großvater habe ich geliebt“, gab er zu. „Aber deine Trauer grenzt ja schon an Besessenheit.“
„Das ist wohl meine Sache“, verteidigte sie sich.
„Wie du meinst.“ Nikolai ging zur Tür. „ Dobranotsch – gute Nacht“, sagte er leise und verließ ihr Apartment.
In der stillen Diele schlang Abbey die Arme um sich und atmete tief durch. Sie stand praktisch noch immer unter Schock. Die Leidenschaft, die sie mit Nikolai geteilt hatte, pulste noch immer in ihrem Körper, eine Leidenschaft, von deren Existenz sie nie geahnt hatte. Sie fragte sich, warum sie sich einsamer fühlte als je zuvor und wieso Nikolai eine solche Wirkung auf sie haben konnte. Jeffrey hatte sie nie so stark begehrt. Kein sehr schmeichelhafter Gedanke, doch Abbey war grundsätzlich ehrlich zu sich selbst. Jeffrey hatte sie genug geliebt, um sie zu heiraten, aber was die körperliche Seite der Beziehung betroffen hatte, so hatte dort augenscheinlich etwas gefehlt. Ihr Schuldgefühl wuchs an.
In dieser Nacht tat sie kaum ein Auge zu.
Früh am nächsten Morgen erfolgte der erste Anruf. Eine Zeitschrift bot Abbey eine ansehnliche Summe für die Story über ihre Nacht mit Nikolai Arlov. Angewidert knallte sie den Telefonhörer auf.
Zahlreiche Paparazzi belagerten die Haustür, als sie aus dem Haus ging, um zur Firma zu fahren. Ihre Wangen brannten, als sie sich vorstellte, wie begeistert die Reporter sein würden, wüssten sie, dass Abbey bereits beim ersten Date mit Nikolai Arlov im Bett gelandet war. Der russische Milliardär machte seinem Ruf als notorischer Schürzenjäger alle Ehre.
Als Abbey bei Support Systems vorfuhr, verließen gerade zwei düster aussehende Männer das Gebäude.
„Wer waren die beiden?“, fragte sie, als sie das Büro ihres Bruders betrat.
Mit bleicher Miene warf Drew ihr einen Seitenblick zu. „Sie wollten uns anheuern. Doch sie gefielen mir nicht, also habe ich ihnen gesagt, dass wir keine Kapazitäten mehr frei haben.“
„Die sahen aus wie Rausschmeißer.“
„Ja, so was Ähnliches sind sie auch. Wir sollten Sicherheitsleute für einen Club im West End stellen. Ich habe ihnen klargemacht, dass wir für derartige Aufträge nicht zur Verfügung stehen.“
„Allerdings steht in unserer Firmenbroschüre, dass wir jede Aufgabe übernehmen“, wandte Abbey ein.
Ihr Bruder runzelte die Stirn. „Irgendwo müssen wir die Grenze ziehen. Ach, übrigens … in einer Stunde hast du einen Termin mit Nikolai Arlov.“
„Nikolai?“ Abbey schnappte nach Luft. „Was will er von mir?“
„Weiß ich nicht, aber hoffentlich hat er ein paar lukrative Aufträge für uns. Wieso bist du so schockiert? Du bist doch gestern mit ihm essen gegangen, oder?“
„Ja.“ Aber sie war empört darüber, dass er tatsächlich versuchte, sie dazu zu bringen, etwas zu tun, das sie nicht tun wollte. Er musste doch wissen, dass sie ihn nie wiedersehen wollte. Wozu also einen offiziellen Termin ausmachen? Zu spät wurde ihr klar, dass sie mit ihrem Einverständnis gestern die völlig falsche Botschaft ausgesandt hatte. Und sie hatte auch nicht bedacht, mit was für einem skrupellosen Kerl sie es zu tun hatte. „Brauchen wir denn wirklich noch mehr Aufträge?“
„Alle, die wir kriegen können“, behauptete ihr Bruder.
Abbey ging zu ihrem Büro durch, wo ihre Sekretärin ihr eine
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