Geliebter Feind
Warwickshire, als uns einen Tagesritt von hier entfernt eine Bande von Halsabschneidern überfiel. Es ist uns zwar gelungen, die Verbrecher zu schlagen, doch ich kam offensichtlich dabei nicht so gut davon wie meine Freunde."
Er lächelte kläglich. „Ich muß Euch und den Earl deshalb leider um die Großzügigkeit bitten, uns Unterkunft für die Nacht zu gewähren."
„Guy befindet sich in London bei Hofe. Selbstverständlich wird Euch Unterkunft gewährt. Ihr seid auf Sedgewick willkommen, bis Euer Bein geheilt ist und Ihr wieder reiten könnt." Sie drehte sich um und befahl Meg, heißes Wasser und Leinenbinden zu holen.
„Ihr seid zu gütig, Kathryn." Rodericks Blick ruhte auf ihrem hübschen Gesicht. Sie errötete, denn ihr entging nicht, wie eindringlich er sie anschaute.
Sie ließ Gerda kommen und befahl ihr, die Wunde zu versorgen, die zum Glück nicht so gefährlich war, wie sie zuerst ange-nommen hatte. Der Schnitt hatte zwar heftig geblutet, doch die Wundränder waren offenbar nicht entzündet. Gerda streu-te ein Heilpulver darauf und verband das Bein dann geschickt mit sauberen Leinenstreifen.
Kathryn war begierig, etwas von Elizabeth zu hören, und sie fragte Roderick während des Nachtmahls aus. „Wie geht es meiner Schwester? Ach, wie ich sie vermisse! Und wie war die Hochzeit? Habt Ihr an der Feier teilgenommen?"
Roderick lachte. „Gewiß, und Elizabeth war eine wirklich strahlende Braut. Das Eheleben scheint ihr gut zu bekommen, denn sie sieht mit jedem Tag besser aus."
Erleichtert atmete Kathryn auf. „Wenn Sir Hugh sie glücklich macht, will ich zufrieden sein."
„Genug von Elizabeth", meinte Roderick heiter. „Wie steht es mit Euch, Kathryn?" Er senkte die Stimme und neigte den Kopf näher heran. „Macht Euch der Earl glücklich?"
Kathryn schwieg - hauptsächlich deswegen, weil Rodericks hungriger Blick sie so verwirrte.
Roderick mißverstand ihr Schweigen. Er faßte ihre Hand, die auf ihrem Knie lag. „Kathryn, Ihr braucht nur ein einziges Wort zu sagen. Falls er Euch schlecht behandelt. . . " Er drück-te ihre Hand fester.
Kathryn erhob sich und wollte sich von ihm entfernen, doch er zog sie nur noch dichter zu sich heran. Seine Vertraulichkeit war ihr unangenehm; was mochten wohl die Bediensteten denken? Was, wenn nun einer und eine von ihnen irgendwelche Geschichten an Guy weitertrug? Und überhaupt - was würde Guy wohl denken, wenn er bei seiner Heimkehr Roderick hier vorfand?
„Roderick!" flüsterte sie flehentlich. „Ihr dürft mich nicht so berühren. Vergeßt nicht, daß ich jetzt die Gemahlin des Earls of Sedgewick bin."
Er ließ sie so unvermittelt los, daß sie stolperte und beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. „Ihr habt vollkommen recht, Madam. Hier sollte ich mich nicht einmischen." Sein Blick ging über ihre Schulter hinweg, und im selben Moment ahnte Kathryn, daß Unheil im Verzug war. Sie brauchte sich nicht erst umzudrehen, um zu wissen, daß ihr Gemahl wieder daheim war. Sie tat es trotzdem.
Guy de Marche kam auf sie zu. Der Staub der langen Reise bedeckte ihn, und die Müdigkeit hatte tiefe Linien in sein Gesicht gezeichnet; dennoch sah er so verteufelt schön aus wie eh und je.
Furcht und Sehnsucht erfüllten Kathryn gleichermaßen.
Das Bedürfnis, ihn zu berühren und von ihm berührt zu werden, wurde übermächtig. Am liebsten wäre sie ihm entgegengelaufen und hätte sich an seine Schultern geklammert, um ihn dann wie wild zu küssen.
Guys Gesicht jedoch wirkte hart und kalt, und ihre sehnsüchtigen Wünsche erstarben. Nein, sie würde jetzt nicht die begehrliche Gattin spielen, wo Guy doch ganz offensichtlich ein höchst widerstrebender Gatte war!
Trotzig hob sie das Kinn. „Edler Herr!" begrüßte sie ihn kühl. „Wir hatten Euch nicht so bald zurückerwartet."
„Das sehe ich." Er lächelte eisig, legte ihr eine Hand auf die Schulter und zog sie an seine Seite. Kathryn errötete, wenn auch nicht aus Verlegenheit, sondern aus Zorn, denn Guys Be-rührung war in keiner Weise liebevoll, sondern sie stellte nur seine Besitzansprüche zur Schau.
Seine Augen waren auf Roderick gerichtet, der sich erhoben hatte und ein wenig steif dastand. „Es wundert mich, daß Ihr es wagt, Euch auf Sedgewick blicken zu lassen." Guy hatte das scheinbar ganz gelassen geäußert, doch sein gefahrverheißender Unterton war weder Kathryn noch Roderick entgangen.
„Die Umstände erforderten dies, Herr. Ich und der Rest meiner Gesellschaft befanden uns auf
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