Geliebter Feind
Männern! Sie ertrug ja nicht einmal den Gedanken an eine sanfte Berührung durch einen Mann. Was Richard mit ihr vorhatte, würde sie umbringen.
Der Mut verließ Kathryn. „Die Leute des Earls sind überall in dieser Burg. ."
„Sie werden doch sicherlich nicht mit ihm zusammen im Bett schlafen, oder? Und du bist nur ein Mädchen und wirst keinen Argwohn erregen."
Kathryn erschrak zutiefst. Sie mußte ihre Hände falten, damit sie nicht so zitterten. „Ihr deutet damit doch nicht etwa an, daß ich. ." Sie brachte es nicht über sich, das Schreckliche auszusprechen.
„Daß du dich von diesem Hund bespringen läßt?" fragte er brutal. „Falls das zu seiner Ermordung nötig sein sollte, dann sei es so." Sein Lachen trieb Kathryn einen Schauder über den Rücken. „Es wäre doch einfach, ihm in der Hitze der Leidenschaft einen Dolch in die Brust zu jagen."
Kathryn durchlief es heiß und kalt. Sie mußte daran denken, wie Guy de Marche ihren Körper abgesucht hatte. Wieder fühlte sie seine Finger über ihre Haut gleiten. Das war schon schlimm genug gewesen, doch es war sicherlich überhaupt nichts gegen die Intimitäten, die sich zwischen einem Mann und einer Frau abspielten.
Das Entsetzen war ihr wohl anzusehen, denn ihr Onkel lachte verächtlich. „Du willst mir doch nicht etwa weismachen, du verstündest nichts von Männern, und trotzdem willst du Roderick heiraten? Deine gespielte Unschuld nützt dir nichts. Roderick ist nicht der Mann, der sich lange hinhalten ließe."
Kathryn errötete. Sie dachte an das ungeduldige Verlangen, das sie ihm in seinen Armen angemerkt hatte.
„Vielleicht fühlst du dich ja verpflichtet, ihm treu zu sein?"
Richard lächelte hämisch. „Schlag dir das aus dem Kopf, Mädchen. Das Schwert des einen Mannes ist nicht anders als das aller anderen."
Sie verging fast vor Scham. „Der Earl leidet mich nicht."
„Ha! Ein Grund mehr für ihn, dich in sein Bett zu nehmen. Er muß dich nicht leiden, um dich zu begehren. Hast du das noch nicht begriffen?"
Er betrachtete sie von Kopf bis Fuß. „Mit deinem dichten dunklen Haar und deiner milchweißen Haut bist du ein recht ansehnliches Geschöpf. Möglicherweise ein wenig zu dünn für den Geschmack einiger Männer, doch das schadet nichts. Und daß du so eiskalt bist, wird einen Mann um so heißer für dich entbrennen lassen."
Kathryn rang die Hände im Schoß. Bei dem Earl zu liegen . .
unvorstellbar! Sie hatte doch seinen haßerfüllten Blick gesehen. Guy de Marche würde so sein wie ihr Onkel. Es würde ihm Freude bereiten, ihr weh zu tun.
Richard zog sie aus dem Sessel hoch und gab ihr einen Stoß.
„Und jetzt fort mit dir. Mir ist es gleichgültig, ob du für ihn die Hure spielst oder nicht. Wie du es anstellst, kümmert mich nicht, solange du die Aufgabe nur ausführst."
Benommen wankte sie zur Tür.
„Kathryn!"
Sie drehte sich halb um.
„Ich will, daß du den Mann noch heute nacht umbringst", drohte er. „Falls nicht, dann dürfte es deiner Schwester übel ergehen."
Von Richards Lachen verfolgt, floh Kathryn aus dem Raum.
Die Zuflucht, die Kathryn in ihrem Gemach gesucht hatte, war ihr nicht vergönnt.
Kaum hatte sie sich eingeschlossen, da klopfte auch schon jemand an die Tür. Als sie öffnete, sah sie einen Ritter des Earls vor sich.
„Herrin, Sir Hugh bittet untertänigst um Eure Gegenwart -
und auch um die Eurer Schwester - in der großen Halle zum Nachtmahl, wenn es Euch beliebt."
Kathryn atmete auf, doch ihre Erleichterung war von kurzer Dauer; wenn Sir Hugh sich in der großen Halle befand, dann würde Guy de Marche ebenfalls dort anwesend sein. Ihr graute davor, ihn wiederzusehen, obwohl sie wußte, daß dieser Augenblick ja einmal kommen mußte. „Ich will, daß du den Mann noch heute nacht umbringst", hatte ihr Onkel gesagt...
Eine eigenartige Benommenheit befiel sie. „Richtet Sir Hugh bitte aus, daß meine Schwester und ich so bald wie möglich hin-unterkommen."
Elizabeth sträubte sich, während es Kathryn widerstrebte, allein in die große Halle zu gehen. Am Ende gelang es ihr doch, ihre Schwester zu überreden. Rasch wuschen sie sich und wech-selten ihre Gewänder.
In der großen Halle eilten fleißige Bedienstete hin und her und stellten Platten mit Brot und Braten auf drei lange Bocktafeln.
Die Stimmen fröhlich lachender und lärmender Männer waren zu hören. Elizabeths Schritt stockte, und Kathryn mußte sie vorwärtsziehen.
Sir Hugh stand vor dem riesigen Kamin. Er war mit
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