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Geliebter Feind

Geliebter Feind

Titel: Geliebter Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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einer fei-nen braunen Samttunika bekleidet. Kathryn war es peinlich, daß sie nur dieses dünne, losefallende Wollgewand trug. Dabei handelte es sich noch um eines ihrer besten, und sie hatte es angezogen, weil sie hoffte, die rote Farbe würde ihr etwas Mut ver-leihen. Leider war es an verschiedenen Stellen schon ein paar-mal geflickt. Sie blickte ihre Schwester an; Elizabeth sah genauso unglücklich aus.
    Sir Hugh entdeckte die beiden jungen Damen in dem Moment, als sie die unterste Treppenstufe erreicht hatten. Ihm schien an ihnen nichts Besonderes aufzufallen. Freudestrah-lend kam er heran. „Lady Kathryn", grüßte er.
    „Sir Hugh." Sie lächelte ein wenig.
    Er beugte sich über ihre Hand und wandte sich dann an Elizabeth. „Und diese reizende Dame ist Eure Schwester?"
    „Ja", antwortete Kathryn, während Elizabeth mit niederge-schlagenen Augen einen kleinen Knicks vollführte. „Dies ist meine Schwester Elizabeth."
    „Ich bin Sir Hugh Bainbridge." Freundlich nahm er Elizabeths kleine, kalte Hand zwischen seine beiden. Elizabeth erschrak, riß ihre Hand indessen nicht zurück, wie Kathryn es erwartet hatte.
    Hugh blickte lächelnd zwischen den beiden hin und her. „Ich muß gestehen, ich weiß nicht, wer von Euch beiden die jüngere und die schönere ist."
    Kathryn lächelte. „Ich bin ein Jahr älter als Elizabeth." Sie machte eine kleine Pause. „Ich hoffe, wir haben Euch nicht warten lassen, Sir."
    „Nein, durchaus nicht." Sir Hugh führte die beiden Schwestern zu dem Herrentisch auf der Estrade am anderen Ende der großen Halle.
    Unwillkürlich schweifte Kathryns Blick auf der Suche nach dem Earl durch den Saal, doch der große, dunkelhaarige Mann war nirgends zu entdecken. Sie war hin-und hergerissen zwischen größter Erleichterung und hilfloser Verzweiflung. Wie sollte sie den Auftrag ihres Onkels ausführen, wenn Guy de Marche nicht anwesend war?
    „Der Earl leistet uns keine Gesellschaft?" erkundigte sie sich, während Sir Hugh ihr und ihrer Schwester die Sessel zurecht-rückte.
    Er schüttelte den Kopf. „Nein, er ist mit dem Verwalter ausgeritten, um mit einigen der Pächter zu reden."
    Der siegreiche Held will also als erstes seine neue Domäne in-spizieren und ihren Wert abschätzen, dachte Kathryn voller Verachtung.
    Unterdessen legten Küchenmägde vor den Speisenden dicke Brotscheiben aus, auf die die Bratenstücke gehäuft wurden.
    Außerdem gab es mit Ingwer gewürzten Hering, weiteres Brot und zum Nachtisch Honig-und Nußküchlein.
    Kathryn verspürte nur wenig Appetit, obwohl der Abend keine solche Prüfung war, wie sie es erwartet hatte. Sir Hugh war geistreich und bezaubernd. Elizabeth konnte ihre Scheu vor so vielen sie umgebenden Männern nicht unterdrücken und war sehr schweigsam. Sie lächelte allerdings einige Male über etwas, das Sir Hugh sagte.
    Zu einer anderen Zeit hätte Kathryn das Mahl sogar sehr erfreulich gefunden, doch jetzt hing der drohende Schatten der kommenden Nacht über ihrem Haupt. Immer wieder hörte sie die Stimme ihres Onkels: „Schon in diesem Moment planen meine Ritter einen Fluchtweg für mich."
    Sie hoffte inständig, daß Richard sich täuschte. Könnte sie doch nur sicher sein, daß er nicht entkam, bevor Guy de Marche das Urteil über ihn verhängt hatte! Dann brauchte dieses schreckliche Lügenspiel gar nicht gespielt zu werden.
    Leider vergingen die Stunden viel zu schnell. Bevor Kathryn es sich versah, war es Zeit, sich zurückzuziehen. Sir Hugh erhob sich und bestand darauf, die beiden Damen zu ihren Gemächern zu geleiten. Auf halbem Weg durch die große Halle wurde er von einem anderen Ritter aufgehalten. Sir Hugh versicherte, es wür-de nur einen kurzen Moment dauern, und so gingen die beiden Schwestern langsam weiter, um am Fuß der Treppe auf ihn zu warten.
    Eine kleine Gruppe von Männern war gerade erst in die Halle eingetreten. Sie mußten um Kathryn und Elizabeth herumge-hen, um an ihre Plätze zu gelangen. Im Vorbeigehen warf einer von ihnen begehrliche Blicke auf die beiden.
    „Das wäre doch einmal eine Art, einen Mann in kalter Nacht zu wärmen", meinte er an seine Gefährten gewandt. „Eine auf jeder Seite! Was meint Ihr dazu, Kameraden? Sollen wir um sie würfeln? Wir haben schließlich unseren Anteil an der Kriegsbeute noch nicht bekommen."
    Elizabeth wurde leichenblaß. Kathryn wirbelte zu dem unverschämten Kerl herum. Sie hatte schon eine scharfe Zurück-weisung auf den Lippen, kam indessen nicht mehr dazu, sie auch

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