Geliebter Feind
sofort zu Elizabeth. Im Geist sah er ihr goldenes Haar und die blauesten Augen des ganzen König-reichs vor sich. Er liebte ihre liebe, sanfte Natur, ihre Reinheit und Güte. Ihr Lachen kannte er noch nicht, doch das würde er bald hören. Sicherlich klang es wie das Plätschern eines kleinen silberhellen Wasserfalls ...
„Wie könnte ich ein solches Angebot ablehnen?" Er lächelte ein wenig.
„Aha! Dieses Lächeln kenne ich doch, mein Freund. Du bist verliebt!" Guy lachte leise. Er stützte die Ellbogen auf die rohe Tischplatte und beugte sich vor. „Sage mir, welche du bevor-zugst - die Rabenschwarze oder die Taubensanfte?"
Hugh lachte herzlich. „Das sanfte Gurren einer Taube ist mir lieber als der scharfe Schnabel eines Raben. Um ehrlich zu sein, ich fürchte, es braucht einen Falken, um es mit Frauen wie Lady Kathryn aufzunehmen", scherzte er.
Guy schwieg.
„Ja, wirklich", fuhr Hugh fort. „Es braucht einen Mann wie Euch, würde ich sagen."
Guy lachte nicht mehr. Er stand auf und starrte düster aus dem Fenster.
„Ihr habt mir erzählt, was Ihr mit Ashbury vorhabt", sagte Hugh. „Und was soll aus der Lady Kathryn werden?"
„Falls sie denkt, Ashbury befindet sich in ihrer Reichweite, dann täuscht sie sich gewaltig", erklärte er barsch. „Sie ist selbstsüchtig und starrsinnig. Alles, was sie will, ist Ashbury.
Und sie ist ebenso schlau, berechnend und hinterhältig wie ihr Onkel."
Hugh warf seinem Herrn einen zweifelnden Blick zu. „Also wirklich, Guy! Sie ist doch nur eine Frau."
„Eine Frau, die ihr Bestes versucht hat, um meinem Leben ein Ende zu setzen." Mit harter Stimme berichtete er seinem Freund von Kathryns nächtlichem Besuch. „Ferner hat sie gesagt, sie würde alles tun, um sich ihres Onkels zu entledigen", schloß er. „Und genau das scheint sie jetzt getan zu haben."
Hugh war ehrlich entsetzt. „Ihr glaubt doch nicht im Ernst, daß sie Richard of Ashbury umgebracht hat! Falls sie das vorgehabt hätte, würde sie das doch nicht erst jetzt getan haben."
„Dieses Argument ist das einzige, das mich noch zweifeln läßt", räumte Guy ein. „Nur trauen kann ich ihr nicht, Hugh.
Falls ich ihr erlaube, hier zu bleiben, dann könnte es ihr und ihrem Roderick möglicherweise doch noch gelingen, Ashbury an sich zu reißen."
Hugh machte sich jetzt wirklich Sorgen, denn er kannte Guys Unbeugsamkeit. Zwar fand er, sein Herr täte Kathryn mit seiner Beurteilung unrecht, andererseits war er jedoch auch nicht ganz davon überzeugt, daß Guy sich irrte. Er, Hugh, wäre jedenfalls geneigt, Milde walten zu lassen, denn schließlich war Kathryn ja eine Frau.
„Ihr könnt sie doch nicht ins Verlies werfen, Guy. Immerhin ist sie eine wohlgeborene Lady, und . ."
„Wohlgeboren, doch nicht wohlgeraten." Guys Lachen klang recht brüchig.
„Also was soll dann aus ihr werden?"
Guy lächelte wieder, doch dieses Lächeln erreichte seine Augen nicht, und Hugh erkannte, daß das nichts Gutes für die betreffende Dame bedeutete.
„Wenn ich hier abziehe", antwortete der Earl tonlos, „dann kommt die Lady mit mir."
Am nächsten Morgen hatten Nebel und Wolken einem blauen Himmel und strahlendem Sonnenschein Platz gemacht. Auf der Burg herrschte größte Geschäftigkeit. Von ihrem Fenster aus sah Kathryn Pferdeknechte hin-und herlaufen, und die Krieger des Earls waren schier überall.
Als sie kurze Zeit später aus ihrem Gemach trat, lief Alice, eine der Mägde, gerade den Flur entlang. „Alice", fragte sie, „die Mannen des Earls befinden sich im Burghof. Weißt du, was dort vorgeht?"
„Gewiß, Herrin." Die Magd knickste. „Der neue Herr verläßt heute morgen Ashbury und reist heim nach Somerset." Nach einem weiteren Knicks eilte Alice weiter.
Vor Freude hätte Kathryn beinahe in die Hände geklatscht.
Daß Guy de Marche so schnell abzog, hätte sie niemals zu hoffen gewagt.
An der Treppe traf sie Helga. Das Mädchen schwieg und warf seiner Herrin nur einen unfreundlichen Seitenblick zu, doch der konnte Kathryns gute Stimmung auch nicht dämpfen. Auf dem ganzen Weg bis hinunter in die große Halle lächelte sie in einem fort.
Als sie Schritte hinter sich hörte, drehte sie sich um. Elizabeth kam hinter ihr her. „Guten Morgen, Schwester!" rief Kathryn fröhlich. „Dies ist doch in der Tat ein guter Morgen, nicht wahr?"
Elizabeth kam heran. „Jedenfalls ist deine Stimmung gut", bemerkte sie. „Obschon ich nicht ganz verstehe, was heute so anders als gestern ist."
Kathryn
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