Geliebter Freibeuter
getraut werden.«
Eloise sah seinen lüsternen Blick und musste ihre ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um David nicht zurückzustoßen. Sie konnte nicht verhindern, dass er sie küsste, aber sie erwiderte seinen Kuss nicht, sondern lag stocksteif in seinen Armen. Enttäuscht gab David sie frei.
»Ich merke, du bist noch nicht so weit. Nun, das mag an deinen schrecklichen Erlebnissen liegen, wahrscheinlich bereitet dir die Wunde auch noch Schmerzen. Aber, meine liebe Eloise, ich bin nicht gewillt, auch nur einen Tag länger als nötig zu warten, bis ich dich zu meiner Frau machen kann. Davon mal abgesehen, sind wir ohnehin das Gesprächsthema der ganzen Insel. Alle Engländer meinen, es sei nun wirklich an der Zeit, dass wir uns vermählen.«
Die Idee, Eloise zu ihren Eltern nach England zurückzuschicken, hatte er verworfen. Zu groß wäre gegenüber der englischen Gesellschaft der Insel die Blöße gewesen, die er sich geben würde, wenn er seine Verlobung löste. Eloise warso gut wie jede andere Frau. Sie war sehr schön, man konnte mit ihr angenehm plaudern, und sie würde ihm Kinder schenken. Wenn Dark Flynn erst tot war, dann würden auch die Schrecken der Vergangenheit endlich von ihnen weichen.
Eloise konnte zu Davids Ausführungen nur stumm nicken, denn ihr fehlten die Worte. Dass David so viel Rücksicht auf sie nahm, machte die Sache nicht gerade leichter. Lange würde sie ihn nicht mehr hinhalten können, denn David war ein Mann, der wusste, was er wollte. Aus seiner Sicht hatte er sogar recht. Sie hatte sich mit ihm verlobt und war nach Jamaika gekommen, um seine Frau zu werden.
David stand auf und strich Eloise übers Haar.
»Wie ich bereits sagte, ich wollte dich nicht verwirren. Ruh dich in den nächsten Tagen aus. Wenn du wieder völlig gesund bist, wirst du dich auf die Hochzeit ebenso freuen wie jede andere glückliche Braut.«
»Ja, ganz bestimmt, David.« Sie sah ihn an und bemühte sich um ein unbeschwertes Lächeln.
Erst als Morgans Kutsche die Plantage durch das Haupttor verlassen hatte, fiel ein Stück der Anspannung von Eloise ab. Sie wusste noch nicht, wie es ihr gelingen sollte, unbemerkt nach Kingston zu gelangen, aber die Gelegenheit war günstig. So schnell sie konnte lief sie in den ersten Stock und betrat – da weit und breit niemand von der Dienerschaft zu sehen war – Davids Räumlichkeiten. Es war das erste Mal, dass sie in seinem Zimmer war. Obwohl sie für ihr Vorhaben nicht viel Zeit hatte, konnte sie der Versuchung, sich umzusehen, nicht widerstehen. Das Zimmer war ebenso eingerichtet, wie David sich gab – kühl, nüchtern und zweckmäßig. Eloise überlegte kurz, in den Schubladen nachzusehen, ob sievielleicht einen Hinweis auf den mysteriösen Peabody finden würde, entschloss sich dann aber dagegen. Nein, David würde nicht so dumm sein und in seinem eigenen Haus einen verräterischen Hinweis aufbewahren. Aus einem der Schränke nahm Eloise eine schlichte Hose, ein weites Hemd, einen einfachen Rock und eine Kappe. Mit den Kleidern auf dem Arm schlich sie in ihr eigenes Zimmer. Obwohl die Wunde an ihrer Schulter immer noch Probleme bereitete, ignorierte sie den Schmerz, entkleidete sich bis auf die Unterwäsche und schlüpfte in Davids Kleider. Diese waren ihr natürlich zu weit, kaschierten aber dadurch ihre weiblichen Formen. Ihre roten Locken steckte sie mit Haarnadeln auf und stülpte sich die Kappe darüber. Als sie sich im Spiegel betrachtete, musste sie grinsen. Bei näherer Betrachtung würde jeder sofort entdecken, dass hier kein junger Mann, sondern eine Frau vor ihm stand, aber für das, was sie heute vorhatte, musste die Verkleidung ausreichen. Jetzt galt es nur noch, das Herrenhaus und die Plantage ungesehen zu verlassen.
Zwei Stunden später passierte Eloise die ersten Hütten von Kingston. Ihre Flucht war einfacher gewesen als gedacht. Es war ihr sogar gelungen, ein Pferd aus dem Stall zu holen, ohne dass jemand sie bemerkte. Das Satteln war ihr zwar schwergefallen, aber sie biss die Zähne zusammen und hatte es schließlich geschafft. Offenbar befürchtete David nicht mehr, Eloise könne auf die Idee kommen, allein Streifzüge auf der Insel zu unternehmen, so wurde sie beim Verlassen des Hauses nicht aufgehalten. Selbst das Tor wurde widerstandslos geöffnet, als sie dem Wächter mit verstellter tieferer Stimme zurief: »He, du da! Mach das Tor auf. Ich habe Sir Morgan die Nachricht überbracht, dass im Norden etwasnicht stimmt und er so
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