Geliebter Freibeuter

Obwohl es Eloise schier das Herz aus der Brust riss, mitanzusehen, wie all ihre Sachen, die für ihr neues Leben auf Jamaika bestimmt waren, von Bord gebracht wurden, handelte es sich doch nur um Dinge. David Morgan war reich, er würde ihr alles neu kaufen können.
    Die Sonne begann gerade am Horizont ins Meer zu sinken, als der Rote vor Eloise, Kate und Captain Carrick trat. Spöttisch tippte er sich an seine unbedeckte Stirn.
    »Danke, Captain, Ihr habt recht schöne Sachen mit Euch geführt. Dafür werden Euch viele Menschen sehr dankbar sein.« Er warf einen Blick in die demolierte Takelage. »Weit kommt Ihr mit dem Schiff nicht, aber bis zur nächsten Insel müsste es gehen, dort könnt Ihr es reparieren lassen.«
    Eloise hörte, wie Captain Carrick erleichtert die Luft ausstieß. Auch sie begann gerade, sich etwas zu entspannen, in der Hoffnung, die Piraten gleich los zu sein, als der Rote seine rechte Hand auf ihre Schulter legte und mit der linken Kates Oberarm packte.
    »So, Ladys, es wird Zeit, Lebewohl zu sagen.«
    »Was soll das heißen?« Automatisch fuhr Captain Carricks Hand zur Hüfte, wo sonst sein Degen hing, aber selbstverständlich war er längst entwaffnet worden.
    Der Rote lachte dröhnend.
    »Die Ladys werden uns begleiten.«
    »Auf keinen Fall!« Eloise versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, während Captain Carrick den Arm zum Schlag hob. Aber einer der Piraten war schneller, und seine Faust krachte so fest in das Gesicht des Captains, dass dieser mit blutender Nase zu Boden ging.
    »Was wollen Sie denn von uns?«, rief Eloise. »Sie haben all unsere Wertgegenstände. Ist das nicht genug?«
    »Nein, mein Täubchen, der Captain wird sich besonders auf diese außergewöhnliche Ware in Form von euch zwei Ladys freuen.«
    »Der Captain?« Eloise runzelte erstaunt die Stirn. »Sind Sie denn nicht der Anführer dieser Verbrecherbande?«
    Der Rothaarige zuckte bedauernd mit den Schultern.
    »Das bin ich nicht, Lady. Ich bin so was wie der Erste Maat oder auch die rechte Hand des Captains.« Sein Griff verstärkte sich wieder. »Und nun kommt, meine Damen, ich habe keine Lust, zwei zappelnde Weiber tragen zu müssen.«
    »Einen Moment noch«, rief Eloise und versteifte sich. »Wer ist denn der Captain, zu dem Sie uns schleppen werden?«
    Die Antwort des Roten war für Eloise keine Überraschung, denn sie hatte diese geahnt.
    »Ihr seid ab sofort Gast von Captain Dark Flynn auf seinem Schiff
Liberty.
Wenn ich jetzt bitten dürfte …?«

4. Kapitel
     
    Über eine schmale und wacklige Planke wurden Kate und Eloise auf das Piratenschiff geführt. Wie von Eloise vermutet, handelte es sich um eine zweimastige Brigantine. Wesentlich kleiner als die
Queen Beth
, dadurch aber auch wendiger und schneller und mit zehn Kanonen bestückt, wie Eloise mit einem schnellen Blick feststellen konnte. Beim Kampf hatte das Schiff nur geringe Schäden davongetragen, und die Takelage war gänzlich unversehrt, so dass die Piraten sofort die Leinen losmachen und auf volle Fahrt gehen konnten.
    Der Rothaarige brachte die beiden Frauen unter Deck und führte sie in eine Kajüte mit einem kleinen Bullauge, das jedoch nicht geöffnet werden konnte. Kate hatte ihren Schock überwunden, und der Zorn über den dreisten Überfall siegte über ihre Angst. Missbilligend sah sie sich in der Unterkunft um und rümpfte die Nase.
    »In dieses erbärmliches Loch wollt Ihr uns sperren? Hoffentlich ist wenigstens alles sauber, und es gibt hier keine Ratten.«
    Der Rote hob eine Augenbraue.
    »Ihr werdet mit dem zufrieden sein müssen«, gab er barsch zurück und wollte Eloise am Arm packen und auf eine der Pritschen schieben. Sofort stellte sich Kate dazwischen. Niemand fasste ihren Schützling an! Sie hatte Eloise seit ihrer Geburt gehegt und gepflegt und würde es nicht zulassen, dass sich jemand an ihr vergriff.
    »Nehmt Eure dreckigen Hände weg!« Kate war weder eine kleine noch eine zierliche Person, und gegen den bulligen Kerl wirkte sie beinahe zerbrechlich, aber in ihren Augen lag ein entschlossener Ausdruck. »Wie ist eigentlich Euer Name? Es wäre nett, zu wissen, wie wir unseren Kerkermeister ansprechen sollen.«
    Der Rote trat erstaunt einen Schritt zurück und antwortete perplex: »Man nennt mich Cubert. Und Ihr wärt gut beraten, Euer Mundwerk im Zaum zu halten.«
    Nun trat auch Eloise entschlossen vor Cubert.
    »Was habt Ihr mit uns vor? Ich verlange, sofort den Captain zu sprechen!« Sie zögerte kurz und fuhr dann