Geliebter Schuft
vielleicht ... nun ... ich verstehe.« Trotz ihrer Schadenfreude über seine unverkennbare Verlegenheit, jagte ihr der volle und wohltönende Klang seiner Stimme Schauer über den Rücken. Verlangen war offenbar unbesiegbar und sogar gegen Verrat resistent.
»Richten Sie ihr meine besten Wünsche aus«, sagte Max, dessen Stimme näher kam, als er zur Tür ging. Constance zog sich hastig ein paar Stufen zurück, um von der Halle aus nicht gesehen zu werden. »Ich komme morgen wieder, da wird sie sich hoffentlich schon besser fühlen.«
»Ach, warten Sie lieber ein paar Tage«, riet Chastity ihm.
»In Zeiten wie diesen geht Con oft eine ganze Weile nicht aus dem Haus, so schlecht fühlt sie sich.«
Constance erstickte fast vor Lachen. Chastity war selten unverschämt, wenn sie es aber war, dann war sie nicht zu überbieten. Fast empfand sie Mitleid mit Max, dessen Schritte man in der Halle und dann an der Tür hörte, die ihm ein gleichmütiger Jenkins öffnete.
»Ach!«, rief Constance und lief die Treppe hinunter, »das war aber gar nicht feinfühlig.«
»Das sollte es auch nicht sein«, sagte ihre Schwester mit einem Anflug von Trotz. »Er hat es verdient.«
»Wenigstens ist damit gesichert, dass er für ein paar Tage nicht klingelt«, sagte Prudence. »Wirst du frühstücken, oder wartest du lieber auf einen frühen Lunch?«
»Ach, ich warte. Ich habe eigentlich keinen Hunger. Ich möchte euch meinen Artikel zeigen, und dann wollen wir entscheiden, wo wir ihn einfügen. Das bedeutet natürlich, dass man das Layout ändern muss, da er ziemlich lang ist.«
»In diesem Fall bringe ich den Kaffee in den Salon, Miss Con«, kündigte Jenkins von der Mitte der Halle aus an, wo er gelauscht und seine Schlüsse aus dem Gehörten gezogen hatte.
»Ach ja, bitte, Jenkins. Und falls Mrs. Hudson ihre kleinen Kokosplätzchen gemacht hat, könnten wir vielleicht ein paar haben?«, fragte Chastity über die Schulter, als sie die Treppe hinauflief.
»Ich sehe nach, was es gibt, Miss Chas.« Jenkins zögerte und sagte dann: »Darf ich annehmen, dass Mr. Ensor nicht mehr willkommen ist, Miss Con?«
Constance hielt inne und sagte dann: »Nein, Jenkins, im Moment ist er sehr willkommen, doch ich garantiere, dass er in einigen Tagen nicht mehr vor unserer Tür stehen wird.«
Jenkins erlaubte sich ein minimales Anheben einer Braue. »Ich verstehe.« Er zog sich in die hinteren Bereiche des Hauses zurück.
Um halb vier verließ Constance das Haus und nahm den Omnibus zur Park Lane. Sie ging zum Haus der Grahams an der Albermarie Street und schlenderte beiläufig auf der anderen Straßenseite auf und ab, in der Hoffnung, Amelia würde herauskommen, ehe jemand aus der Nachbarschaft die Dame mit dem Brautstrauß bemerkte, die an einem bewölkten Nachmittag nichts Besseres zu tun hatte, als auf dem Gehsteig zu promenieren.
Pünktlich um vier Uhr erschien Amelia, in Schwarz gekleidet und tief verschleiert, am Seiteneingang des Hauses. Sie hielt inne, warf Blicke nach links und rechts, bemerkte Constance und eilte, ohne sie zur Kenntnis zur nehmen, in Richtung Park Lane. Constance folgte ihr.
Auf der Park Lane, wo man relativ sicher sein konnte, nicht erkannt zu werden, blieb Amelia stehen, und Constance holte sie ein. Wieder verhielten sie sich wie Fremde. Constance winkte eine Droschke herbei. »Caxton Hall«, sagte sie beim Einsteigen. Amelia folgte ihr.
Erst als sie im Wagen saßen und unbeobachtet waren, schlug Amelia den Schleier zurück. »Mein Herz flattert wie ein Vogel«, sagte sie. »Ich kann noch nicht ganz glauben, dass es wirklich geschehen wird.«
»Glauben Sie es ruhig.« Constance nahm ihre Hand und drückte sie fest. »Henry wird Sie nicht im Stich lassen und meine Schwestern auch nicht.«
Amelia lächelte matt. »Armer Henry. Er muss sich diesem ungeheuerlichen Weiberregiment fügen.«
»Immer noch besser als seinem tyrannischen Vater.«
»Ganz recht.« Amelia lehnte sich in die Polsterung zurück. »Nie hätte ich gedacht, dass ich in Schwarz heiraten würde ... aber schließlich«, fügte sie mit leisem Auflachen hinzu, »konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, zu heiraten.«
Constance übergab ihr den Blumenstrauß. »Vielleicht wird Sie das in Hochzeitsstimmung versetzen.«
Amelia nahm die Blumen und atmete den köstlichen Duft tief ein. »Sie und Ihre Schwestern denken wirklich an alles. Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich bin.«
»Keine Ursache«, sagte Constance leichthin. »Denken Sie
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