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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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gesehen hatte, und sie erkannte sofort die französische Mode. Er trug einen grünen Tuchrock mit Kragen und Manschetten aus Samt. Darunter ein Hemd aus weißer Seide mit einer Krawatte, die so gebunden war, daß sie die Kinnspitze verdeckte. Seine schlanken Beine steckten in lohfarbenen Kniehosen mit sechs Perlknöpfen am Bund. Seine Seidenstrümpfe waren grün und gelb gestreift.
    Bianca seufzte tief. Es war so gut, auch mal einen Mann zu sehen, der nicht nur in Wildleder gekleidet war. Es war auch gut, einen schlanken Mann mit der Figur eines Gentleman zu sehen, nicht mit den dicken Muskeln eines Feldarbeiters.
    »Kann ich Ihnen helfen?« fragte Gerard zum zweitenmal, da die Frau ihm keine Antwort geben wollte. Er verstand ihren Blick. Er hatte ihn schon oft in Amerika gesehen. Die Frauen hungerten nach Kultur und feinen Manieren.
    Er starrte auf sie hinunter, während er ihr die Hände hinstreckte. Sie war eine stattliche Frau, eine sehr stattliche Frau. Ihr tief ausgeschnittenes rotes Satinkleid enthüllte einen riesigen, wogenden Busen. Ihre Arme waren dick, sprengten fast die Ärmel ihres Kleides. Ihr Gesicht hatte man wohl einmal als hübsch bezeichnen können; doch nun war es verquollen und die Züge entstellt. Obwohl der Stil ihres Kleides nicht mehr zeitgerecht war und sie dafür auch den unpassenden Stoff gewählt hatte, wußte er, daß es ein teures Kleid war.
    »Bitte, erlauben Sie mir, Ihnen zu helfen«, sagte er mit seinem üppigen Akzent. »Ich fürchte, Sie werden sich Ihren wunderschönen Teint verderben, wenn Sie in der Sonne bleiben.«
    Bianca errötete und nahm dann die Hand, die er ihr darbot.
    Gerard stemmte sich in den Boden, als er sie in die Höhe zog.
    Sie war sogar noch größer, als er vermutet hatte, sobald sie neben ihm stand. Sie überragte ihn um zwei Zoll und wog bestimmt sechzig Pfund mehr als er.
    Er ließ ihre Hand nicht los, sondern zog sie sacht mit sich fort in den Schatten eines Baumes. Mit einer galanten Bewegung zog er seinen Rock aus und breitete ihn auf dem Gras für sie aus. »Bitte«, sagte er mit einer Verneigung. »Sie müssen sich nach so einem Sturz erholen. Eine zartgebaute junge Lady wie Sie sollte vorsichtiger sein.« Er drehte sich dem Fluß zu.
    Bianca ließ sich schwerfällig auf dem Rock nieder und blickte Gerard nach, der sich zum Fluß hin entfernte. »Sie lassen mich doch jetzt nicht allein, nicht wahr?«
    Er sah über die Schulter, und sein Blick versicherte ihr, daß er sie nicht verlassen würde, sie gar nicht verlassen könnte, nachdem er sie gefunden hatte.
    Gerard blieb beim Fluß stehen und zog sein Taschentuch heraus. Es gehörte Adele, das einzige, das sie besaß. Es war ein reinseidenes Tuch mit Brüsseler Spitzen und mit dem eingestickten Monogramm AC. Gerard hatte vorsichtig das A entfernt und das C gelassen, da er ebenfalls ein Courtalain war.
    Er befeuchtete das Taschentuch und trug es zu Bianca zurück. Er kniete sich neben ihr nieder. »Da ist ein Fleck auf Ihrer Wange«, sagte er leise. Als sie sich nicht bewegte, sagte er: »Erlauben Sie?«, nahm ihr Kinn in die Hand und begann vorsichtig, den Schmutz von ihrem Gesicht zu tupfen.
    Bianca fand es seltsam, daß sie bei Gerards Berührung keinen Widerwillen empfand. Schließlich war er doch auch ein Mann. »Sie werden sich... Ihr Taschentuch schmutzig machen«, stotterte sie.
    Er lächelte großmütig. »Was bedeutet schon Seide im Vergleich zu der Haut einer schönen Frau?«
    »Schön?« Sie sperrte die Augen auf, deren blaue Farbe fast unterging im Weiß ihrer feisten Wangen. Das Grübchen auf der linken Seite war kaum noch sichtbar in dieser teigigen Masse. »Es ist schon lange her, daß mich jemand schön nannte.«
    »Seltsam«, sagte Gerard. »Ich würde doch denken, daß Ihr
    Mann - denn eine Lady von solcher Schönheit muß ja verheiratet sein - Ihnen das jeden Tag sagt.«
    »Mein Mann haßt mich«, sagte Bianca mit tonloser Stimme.
    Gerard dachte kurz über ihre Bemerkung nach. Er spürte das Bedürfnis dieser Frau nach einem Freund, nach einer Gelegenheit, sich auszusprechen. Er zuckte mit den Schultern. Er hatte heute nichts zu tun, und außerdem waren die Dinge, die ihm einsame Frauen erzählten, wertvolle Informationen für ihn. »ünd wer ist Ihr Mann?«
    »Clayton Armstrong.«
    Gerard zog eine Augenbraue in die Höhe. »Der Besitzer dieser Plantage?«
    »Ja.« Bianca seufzte. »Wenigstens von dem, was davon übriggeblieben ist. Er weigert sich, sie richtig zu bewirtschaften,

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