Geliebter Tyrann
sollen essen und nicht aufpassen, was wir tun.«
Sie wich vor ihm zurück. »Bist du betrunken?« fragte sie mißtrauisch.
Er lachte. »Du sprichst wie eine echte Ehefrau, und, ja, ich bin ein bißchen betrunken. Weißt du, was mit dir nicht stimmt?« Er wartete nicht auf ihre Antwort. »Du bist vollkommen nüchtern. Weißt du, daß du das entzückendste Wesen der Welt bist, wenn du etwas getrunken hast?« Er küßte ihre Nasenspitze und griff dann nach einem Krug voller Rumpunsch. »Hier, trinke das!«
»Nein! Ich will mich nicht betrinken«, sagte sie eigensinnig.
»Ich werde das an deinen Mund halten; entweder schluckst du oder ruinierst dein Kleid.«
Sie erwog, sein Ultimatum zurückzuweisen; doch er sah sie so schelmisch an wie ein kleiner Spitzbube, und sie war doch so durstig. Der Rumpunsch war köstlich. Er bestand aus drei verschiedenen Rumsorten und vier Fruchtsäften. Er war kalt, und Eisstückchen trieben darin. Er stieg ihr sofort zu Kopf, und sie holte tief Luft, als sie merkte, wie die Nervosität von ihr abfiel.
»Fühlst du dich nun besser?«
Sie sah ihn unter ihren dichten Wimpern hervor an und fuhr dann mit dem Finger über seinen Wangenknochen. »Du bist der hübscheste Mann auf dieser Party«, sagte sie verträumt.
»Hübscher als Steven Shaw?«
»Meinst du den blonden Mann mit dem Grübchen im Kinn?«
Clay machte eine Grimasse. »Du hättest sagen können, daß du keine Ahnung hast, von wem ich rede. Hier.« Er gab ihr ihren Teller zurück. »Iß was! Wer hätte gedacht, daß eine Französin von einem Schluck Rum schon betrunken wird?«
Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter und drückte ihre Lippen auf seine warme Haut.
»Hier, setz dich auf«, sagte er streng und steckte ihr ein Stück Maisbrot in den Mund. »Ich dachte, du hättest Hunger.« Bei dem Blick, den sie ihm zuschickte, bewegte er unwillkürlich die Beine. »Iß!« befahl er abermals.
Nicole konzentrierte sich nun widerstrebend auf das Essen, genoß es aber, auf seinem Schoß zu sitzen. »Deine Freunde gefallen mir«, sagte sie mit dem Mund voller Kartoffelsalat. »Finden heute nachmittag noch mehr Pferderennen statt?«
»Nein«, sagte Clay. »Pferde und Jockeys brauchen eine Erholungspause. Die meisten Gäste spielen nachmittags Karten, Schach oder Backgammon. Andere wieder suchen ihre Zimmer in diesem Labyrinth auf, das Ellen als Haus bezeichnet, und halten einen Mittagsschlaf.«
Nicole aß eine Weile stumm weiter. Dann hob sie die Augen, um ihn anzusehen. »ünd was werden wir tun?«
Clay lächelte auf eine Weise, daß sich nur eine Seite seines Mundes bewegte. »Ich dachte, ich gebe dir erst noch ein paar Schlucke Rum und frage dich dann.«
Nicole starrte ihn an und langte nach dem Punschbecher. Nachdem sie einen kräftigen Schluck genommen hatte, setzte sie ihn auf den Boden. Sie gähnte plötzlich fürchterlich. »Ich glaube, ich brauche... meinen Mittagsschlaf.«
Clay zog seinen Rock aus und legte ihn auf den Boden neben sich. Dann hob er sie hoch und setzte sie darauf. Er küßte den Winkel ihres überraschten Mundes. »Wenn ich mit dir über den Rasen zum Haus gehen soll, möchte ich das in einer anständigen Verfassung tun.«
Nicoles Blick ging hinunter zur Wölbung in Clays Rehlederhose. Dann kicherte sie.
»Iß, du kleiner Kobold«, sagte er mit vorgetäuschter Strenge. Undnach ein paar Minuten nahm er dann ihren noch halb vollen Teller und zog sie auf die Füße. Er warf seinen Rock über eine Schulter. »Ellen«, rief er, als sie näher beim Haus waren, »Welchen Raum hast du für uns reserviert?«
»Nordost-Flügel, erster Stock, drittes Schlafzimmer«, antwortete sie rasch.
»Müde, Clay?« rief jemand lachend. »Komisch, daß Frischverheiratete immer so rasch müde sind.«
»Bist du eifersüchtig, Henry?« rief Clay über die Schulter.
»Clay!« sagte Nicole, als sie im Haus waren. »Du bringst mich in Verlegenheit«
»Die Blicke, die du mir zuwirfst, bringen mich zum Erröten.« Er zog sie hinter sich her, während er sich einen Weg durch die Korridore suchte. Nicole nahm nur lückenhaft eine seltsame Mischung von Möbeln und Gemälden wahr. Die Einrichtung reichte von Englisch-Elizabethanisch zu Französischem Rokoko und Amerikanischem Primitiven. Sie sah Gemälde, die auch in Versailles hätten hängen können, und so primitive Sachen, daß sie von Kindern gemalt sein mußten.
Irgendwie fand Clay das für sie bestimmte Zimmer. Er zog sie über die Schwelle und nahm sie in seine Arme,
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