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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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hatte, insbesondere da sie nun sah, wieviel Prestige
– und auch Stolz – Bret aus der Mission zuwuchs, für die man
sie vorgesehen hatte.
Vielleicht hätte sie die geheimen Treffen mit Martin und
Bret auch noch durchstehen können, zumal Bret anfänglich so
viel Verständnis und Mitgefühl für die Belastung, die dieses
Doppelleben mit sich brachte, gezeigt hatte. Aber mit dem
vollkommen unerwarteten Coup de foudre, der sie nach der
zufälligen Begegnung mit Harry Kennedy umgeschmissen
hatte, war das Maß voll. Und während die Treffen mit Martin
und Bret nur selten notwendig wurden, kurzfristig und ohne
Angabe von Gründen, und ohne daß sie deswegen Vorwürfe
hätte befürchten müssen, abgesagt werden konnten, handelte es
sich bei den Treffen mit Harry um etwas ganz anderes.
Manchmal quälte sie das Verlangen, ihn zu sehen. An Tagen,
an denen sie ein Treffen verabredet hatten, beschäftigte sie die
Erwartung des Wiedersehens so, daß sie kaum an etwas
anderes denken konnte. Es war erstaunlich, daß niemand –
weder Bernard noch Bret, noch ihre Schwester Tessa – etwas
von dem in ihr tobenden Aufruhr wahrgenommen hatte.
Jedenfalls mußte jetzt Schluß damit sein. Kein Martin mehr,
kein Bret und auch kein Harry. Sie erwog sogar, beim
Department zu kündigen. Wenn Bret Miene machte, sie zu
hindern, sich von dem Projekt zurückzuziehen, würde sie
genau das tun. Sie hatte genug Geld von ihrem Vater, es sich
leisten zu können, sie alle zum Teufel zu schicken. Bret würde
räsonieren, winseln und vielleicht brüllen, aber sie hatte nur
dieses eine Leben, und was sie damit machte, sollte ihre Sache
sein. Wenn eine Frau in die Dreißiger kommt, fängt sie an, sich
gewisse bohrende Fragen zu stellen. Was fing sie an mit ihrem
Leben, das wichtiger war, als ein richtiges Heim zu haben und
sich um Mann und Kinder zu kümmern? Wie hatte sie je erwägen können, sich auf so lange Zeit von ihrer Familie zu trennen? Sollten sie einen anderen Agenten in den Osten schicken. Sicherlich gab es Dutzende, die nur darauf brannten, sich mit einer solchen Operation einen Namen zu machen. Sie
tat das nicht.
Sie aß etwas Schinken und ein Stück von dem warmen
Brötchen. Da Bret nichts gesagt hatte, wiederholte sie die
Erklärung: »Im Grunde meiner Seele bin ich eigentlich
Hausfrau.« Wenn Bret ahnte, was da im Busch war, ließ er sich
das jedenfalls nicht unmittelbar anmerken. »Die Bezeichnung
meiner Abteilung wird geändert. Anstatt wie bisher Referat für
Europäische Wirtschaft soll sie zukünftig offiziell WirtschaftsNachrichtenabteilung heißen, und ich bin zum Abteilungsleiter
ernannt worden. Recht eindrucksvoll, nicht wahr?«
Überraschend war das für keinen von beiden.
Als Bret ihr seinen großen Plan – Gelinkt – entwickelt hatte,
die Deutsche Demokratische Republik mit Hilfe der
bürgerlichen Mittelschicht in die Knie zu zwingen, hatte sie
gleich erkannt, daß er auf dem richtigen Weg war. Jeder, der
auch nur ein Geschichtsbuch gelesen hatte, wußte, daß Hitler
an die Macht gekommen war, weil er es verstanden hatte, die
Mittelschicht auf seine Seite zu ziehen, anstatt sie, wie die
Kommunisten, zu verachten.
»Man darf also gratulieren?« fragte sie.
»Aber gewiß«, sagte er, und sie hoben ihre Gläser und
tranken. Sie lächelte. Wie stolz Bret doch auf seine Ernennung
zum Abteilungsleiter war. Sie würde ihn nie ganz verstehen.
Sie fragte sich, ob es überhaupt jemanden gab, der das tat. Er
war so vollkommen und doch so durch und durch künstlich, bis
zu seiner perfekten Sonnenbräune. Das marineblaue KaschmirJackett und die grauen Hosen sollten vermutlich demonstrieren,
wie salopp er sich kleiden konnte, aber im Verein mit der
seidenen Fliege und dem gestärkten Hemd, dessen
Manschetten lang genug waren, Manschettenknöpfe aus Onyx zur Schau zu stellen, ließen sie ihn dennoch wie aus einem Modejournal geschnitten aussehen. Er war hoch intelligent, charmant und, obwohl nicht mehr jung, ein gutaussehender Mann. Dennoch fehlte ihm jede Art von Sex-Appeal
vollkommen. »Haben Sie Frank gesehen?« fragte sie.
»Wegen der großen Panik? Ja, ich habe den Nachmittag mit
ihm verbracht.«
»Wird es Krach geben?«
»Vielleicht, ich glaube es aber nicht. Für uns ergibt sich
daraus jedenfalls eine sehr günstige Gelegenheit.«
»Frank zu feuern?« Es war eine boshafte und provozierende
Frage, die Bret, wie sie wußte, überhören würde. Ungerührt
fragte Bret: »Waren Sie dort, als der abgefangene Funkspruch
durchgegeben

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