Gemma
Stirn
gedankenvoll gekraust. Seine Augen waren geschlossen, so als würde er intensiv
an etwas denken, und Jess wartete schweigend, bis Bryce den Blick hob und ihn
ansah.
»Weißt du was, Jess, wann immer ich an sie denke, wird der Wunsch,
sie zu erwürgen, stärker als der Wunsch, mit ihr zu schlafen. Vielleicht hätte
ich das tun sollen. Es hätte mir den Papierkrieg für die Annullierung erspart.
Irgendwie glaube ich, dass alle Frauen gleich sind. Zumindest die meisten sind
opportunistische und heimtückische Hexen, meinst du nicht?«
Die Frage war nicht gestellt, damit Jess sie beantwortete, aber
sie hing zwischen ihnen wie eine Drohung, die nur Jessup erkennen konnte.
Jessup schluckte schwer. Obwohl er Bryce als
seinen Freund betrachtete, sprach Bryce nicht oft von seinen Gefühlen. Einige
Leute behaupteten sogar, dass Bryce Campbell überhaupt nicht in der Lage war zu
fühlen, aber Jessup wusste es besser. Er wusste, dass Bryce ein in jeder
Hinsicht äußerst leidenschaftlicher Mann war, aber dass er seine Gefühle
eisern unter Kontrolle hielt. Er würde sie niemals zeigen, zumindest nicht
die, die unter der polierten Oberfläche kühler Überlegenheit schlummerten, die
er für gewöhnlich zur Schau trug. Jessup wusste, dass diese Gefühle
existierten, nur darauf lauernd, entfesselt zu werden, und irgendwie verspürte
er nicht das geringste Verlangen, dabei zu sein, wenn es passierte. Wenn er
bedachte, dass Bryce bereits zweimal in nur zwei Tagen darüber mit ihm
gesprochen hatte, was ihn bewegte, war Jessup mehr als unbehaglich zumute. Es
war beunruhigend, und plötzlich glaubte Jessup gar nicht mehr, dass es eine
gute Idee war, die Sache direkt anzugehen.
»Was
hast du auf dem Herzen, Jess?«, fragte Bryce schließlich. Seine grauen Augen
schienen ihn durchbohren zu wollen. Obwohl Bryce sich unter Kontrolle hatte,
zuckte Jess zusammen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Bryce ihn
durchschaute und wusste, was es war, das Jess quälte.
»Nichts«, antwortete Jess trotzdem. Sogar in seinen Ohren klang
die Antwort mehr als lahm, aber ihm fiel nichts Besseres ein.
Fragend hob Bryce eine Braue. »Nichts? Na, komm schon Jess, erzähl
mir keinen Mist. Als du aufs Achterdeck gekommen bist, sahst du aus wie ein
Mann, der zum Galgen geführt wird, und jetzt sagst du mir, es sei nichts? Du
glaubst doch wohl nicht, dass ich dir das abkaufe?« Ein Hauch Sarkasmus lag in
seiner Stimme, genau wie beabsichtigt.
Oh Gott, dachte Jess, wie soll ich es ihm nur beibringen Ihn mit
noch einem Mädchen zu konfrontieren, das versuch hatte, ihn hinters Licht zu
führen, konnte Bryce' sorgsam unter Kontrolle gehaltene Selbstbeherrschung zum
Überkocher bringen.
»Irgendwie kommt es mir jetzt gar nicht mehr so wichtig vor,
Captain. Ich habe da draußen an was gedacht, aber irgendwie ist es mir jetzt
entfallen. Wenn ich also einfach wie der rausgehe, fällt es mir vielleicht
wieder ein ...«
Seine gestammelte Erklärung wurde von einem schrillen Schrei
unterbrochen, der ihnen trotz der geschlossenen Tür und dem Heulen des Windes
durch Mark und Bein ging. De: angsterfüllte Schrei ertönte noch einmal, bevor
er wie abgeschnitten endete.
»Was zum ...«, murmelte Bryce und war bereits an der Tür. Er riss
sie auf und stieß beinahe mit Tabby, Bryce' Kammerdiener, zusammen, der auf der
anderen Seite der Tür zur Kapitänskajüte stand. Jessup folgte ihm auf dem Fuße,
beunruhigt, dass er die Quelle des Schreies nur zu gut kannte. Tabby sah den
beiden Männern kopfschüttelnd nach und fragte sich, was sie so aufgescheucht
hatte.
Jessup versuchte Bryce beiseite zu schieben,
um als Erster in die Kombüse zu stürmen, aber Bryce war schneller. Ohm
überhaupt anzuhalten, rammte er die Tür mit der Schulter auf. Irgendetwas
Hölzernes splitterte, aber er hielt sich nicht damit auf nachzusehen, was es
war, als die Tür nach innen schwang.
Er fand seine schlimmste Befürchtung, dass ein
Feuer in der Kombüse ausgebrochen war und ein Crewmitglied eingeschlossen
hatte, unbegründet.
Andererseits handelte es sich durchaus um eine Art Feuer, das
jemanden gefangen hielt. Bryce warf sich vorwärts und seine Hände bekamen die
Schultern des Mannes zu fassen, der den Schiffsjungen mit seinem massigen
Körper niederdrückte. Er erhaschte lediglich einen kurzen Blick auf ein
blondgelocktes Haupt, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann
richtete, der es gewagt hatte, auf seinem Schiff ein Kind zu attackieren.
Eine mörderische Wut
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