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Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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persönlich auf die Müllkippe bringen und zusehen, wie es zermalmt wird.«
    Michelle lächelte und lehnte sich an Olaf. Mein Bruder straffte den Rücken. Es schien, als ob ihre Berührung ihn stärker und größer werden ließ.
    »Möchtest du noch eine Weile hier bleiben, Olaf?«, fragte Michelle und löste sich aus der Umarmung.
    »Bitte.«
    »Sie macht einen netten Eindruck«, sagte ich, nachdem Michelle den Flur hinunter zum Ausgang der Station gegangen war. »Du magst sie sehr, richtig?«
    »Ja.« Olaf starrte abwechselnd auf seine Hände und die Türöffnung. »Immer, wenn sie mich anlächelt, frage ich mich, was sie an mir findet.«
    »Und dann hast du Angst, dass sie es sich anders überlegt und dich wieder verlässt«, stellte ich fest.
    »Sieh mich doch an, Ina. Ein kleiner Bankangestellter mit zwanzig Kilo Übergewicht, der immer noch bei seinem Vater wohnt. Was will eine Frau wie Michelle mit so einem wie mir?«
    »Vermutlich sieht sie auch die anderen Seiten.«
    »Meine überragende Intelligenz?«, fragte er ironisch.
    »Wie wäre es mit deiner Liebenswürdigkeit, deiner Loyalität, deiner Zuverlässigkeit?«
    »Prickelnd!«
    »Nicht alle Frauen wollen immer nur das Prickeln, kleiner Bruder.«
    »Du meinst also, es gibt Frauen, die einen Spießer wie mich wollen?«
    »Du bist kein Spießer.« Ich grinste ihn an. »Nur ein bisschen. Manchmal.«
    Er blieb ernst, sah mir in die Augen und meinte: »Steffen hat angerufen. Er kommt heute Abend vorbei und will mit dir sprechen.«
    »Wieso kommt er vorbei?« Ich schüttelte den Kopf und schaute auf die Uhr. »Er kann doch noch nicht aus der Untersuchungshaft entlassen worden sein.«
    »Er wurde freigelassen. Jemand hat ihm ein Alibi gegeben.« Olaf verstummte und ergriff wieder Hermanns Hände.
    »Dann hat ihn doch jemand gesehen. Das ist doch super! Damit hat sich die Sache für mich ja erledigt.«
    Olaf antwortete nicht und sah mich auch nicht an.
    »Es sei denn …« Ich ging um das Krankenbett herum, hockte mich hin und schaute ihm von unten in die Augen. »Olaf.« Mein Ton wurde schärfer.
    »Jemand musste ihn doch da rausholen«, murmelte er.
    »Ein falsches Alibi? Du gibst ihm ein falsches Alibi?«, bellte ich ihn an.
    »Seien Sie bitte leiser.« Eine Krankenschwester schaute hinein und hob die Hand. »Bitte nehmen Sie Rücksicht.« Sie klang sehr höflich. Und sehr bestimmt.
    »Du bist so ein Idiot, Olaf!«, zischte ich ihm zu. »Sauerbier ist doch nicht blöd. Er wird das herausbekommen, und dann hast du deinem Freund einen echten Bärendienst erwiesen.«
    Ich bebte vor Wut. »Außerdem bringst du mich in eine furchtbare Lage. Von Rechts wegen müsste ich das jetzt melden.«
    »Du wirst nicht deinen eigenen Bruder verpfeifen?« Olaf stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Hör mal, mein lieber Bruder. Ich habe mir wegen dir und deinem sauberen Freund schon jede Menge Ärger eingehandelt. Da muss nicht noch eine Schüppe draufkommen. Und wenn du meinst, dich in die Sache reinreiten zu müssen, dann mach das gefälligst ohne mich!«
    »Ich hätte es wissen müssen. Bei dir steht die Karriere immer noch weit über der Familie. Das war schon so, als du fortgegangen bist, und hat sich bis heute nicht geändert.« Olaf stellte sich demonstrativ neben Hermanns Bett. »Wir sind nur gut genug, wenn du uns brauchst, was?«
    Wortlos zog ich meinen Schlüsselbund aus der Hosentasche. Der Schlüssel zu Olafs Wohnung klirrte leise, als ich ihn auf den Tisch warf, mich umdrehte und ging.
    »Komm doch einfach rein, Ina.« Steffen hielt mir seine Haustür auf. »Du kannst nicht ewig hier stehen und auf die Klingel starren.«
    Ich verharrte an der Schwelle. In meinem Kopf ging der Entscheidungskampf bereits in die dritte Runde. Sollte ich ihm trauen? Konnte ich mir trauen? Meinen Instinkten, die mich bei Jan so jämmerlich verlassen hatten? Aber das hier war anders. Ganz anders. Ich kannte Steffen seit gefühlten hundert Jahren. Misstraut man einem Jugendfreund?
    »Dein Wagen war nicht zu überhören.« Steffen lehnte am Türrahmen und sah mich geduldig an. Ich erwiderte seinen Blick.
    »Hermann hatte einen Unfall und liegt im Koma. Der Arzt sagt, er kann es nicht abschätzen, ob er jemals wieder gesund wird. Ich habe mich mit Olaf so zerstritten, dass ich ihm die Schlüssel vor die Füße geknallt habe und nicht in seine Wohnung zurückkann. Sauerbier droht mir mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde und will mich festnehmen, wenn ich mich weiter in die

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