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Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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mich los.
    »Wie man’s nimmt, Kommissarin. Wie man’s nimmt.«
    Auf der Brühler Autobahn stand der Nebel. Die Türme des Phantasialandhotels ragten wie kleine Bergspitzen aus den dichten Schwaden. Die Morgendämmerung tauchte alles in ein gespenstisches Licht. Der Käfer ratterte brav und fraß die Kilometer der A 1 bis zur Ausfahrt Wißkirchen. Danach wurde es ländlich. Vorbei an Kommern und Mechernich, die Wallenthaler Höhe rauf und wieder runter. Hinter der letzten Kurve tauchte Gemünd auf.
    »Meinst du, er ist hier? Bei seiner Mutter?« Steffen gähnte. »Dann hätten wir uns die nächtliche Observation doch sparen können.«
    »Er ist die ganze Nacht nicht aufgetaucht in seiner WG. Das ist jetzt die nächstbeste Möglichkeit.«
    »Er könnte bei einer Freundin sein.« Steffen reckte sich auf dem Beifahrersitz. »Oder bei einem Freund.«
    »Gleich werden wir es wissen«, murmelte ich, setzte den Blinker und bog rechts in die Straße zu dem Haus, in dem Monika Berkel, ihr Mann Klaes und hoffentlich auch ihr Sohn Jonas gerade friedlich schlummerten. Immerhin war es erst halb sechs in der Frühe.
    Die Türglocke der Ten Bolders schrillte in einer Lautstärke, dass ich befürchtete, die komplette Nachbarschaft aufzuwecken. Aber im Haus blieb alles ruhig. Auch nach dem dritten Klingeln rührte sich nichts. Nur im Nebenhaus ging ein Licht an, und die Gardine bewegte sich sachte.
    »Mist.« Müde und frustriert setzte ich mich auf die Stufen vor Monika Berkels Haus. »Kann nicht mal etwas einfach laufen?«
    Steffen streckte mir seine Hand hin. »Lass uns ein paar Stunden schlafen, Ina. Dann überlegen wir weiter.«
    Ich umfasste mit beiden Händen meine Stirn und fuhr mir durch die Haare, als ob ich damit die Müdigkeit abstreifen und neue Energie tanken könnte. Dann nickte ich, stand auf und tastete nach Steffens Hand. Er schnappte sich den Autoschlüssel und bugsierte mich auf den Beifahrersitz.
    Noch bevor wir an der Kirche vorbeikamen, war ich bereits eingeschlafen.
    Die Birke in Steffens Balkonkasten raschelte wie ein ganzer Wald. Durch das gekippte Fenster wehte ein kühler Luftzug und vertrieb die Wärme der letzten Tage aus dem Raum. Ich rollte mich unter dem Plumeau zusammen und rückte näher an Steffen heran. Seine Augen waren geschlossen. Ich ließ meinen Blick über sein Profil wandern und haderte einen Moment mit den Ungerechtigkeiten des Alterns. Falten um die Augen sahen bei Männern allgemein und, wie ich gerade beschlossen hatte, bei Steffen besonders attraktiv aus. Frauen und damit auch mich machten sie eher alt. Wobei ich nicht vergessen durfte, dass meine Falten auch noch neun Jahre älter waren als seine. Irgendwann würde genau das auch Steffen auffallen, da war ich mir sicher. Ich seufzte.
    »Irgendwann. Nicht jetzt«, murmelte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
    »Irgendwann was?« Er lächelte, hielt aber seine Lider geschlossen.
    »Ich dachte über Frühstück nach«, flüsterte ich in sein Ohr und begrub die Gedanken an Alter und Falten ganz hinten in meiner persönlichen Beziehungskiste.
    »Irgendwann. Nicht jetzt.« Seine Hand wanderte unter der Decke zielstrebig auf meine Hüfte zu. Er zog mich an sich und vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Ich mochte, wie er sich anfühlte. Ich mochte, wie er roch. Ich mochte, wie mir in diesem Augenblick klar wurde, eine ganze Menge Dinge an Steffen. War es das, was ich wollte? Oder verdeckten meine Gefühle für Steffen die Probleme, derentwegen ich hergekommen war, nur?
    Ich schwang mich aus dem Bett, angelte nach meinen Jeans und machte mich auf den Weg ins Bad.
    »Ich fahre zu Frau Rostler wegen meines Handys. Auf dem Rückweg bringe ich Brötchen mit.« Hinter meinem Rücken tönte nur unverständliches Gebrummel unter der Bettdecke hervor.
    »Ich deute das als ein ›Ja‹!«, sagte ich, als ich nach einigen Minuten in den Flur trat und meinen Kopf ins Schlafzimmer steckte. Aber Steffen schlief bereits wieder.

ZWÖLF
    Der Wochenspiegel hing noch genau so in Frau Rostlers Briefkasten, wie ich ihn gestern hineingesteckt hatte. Dazu hatte ein fleißiger Postbote so lange Werbeprospekte und Briefumschläge gestopft, bis nichts mehr hineinpasste. Seltsam. Bei unserem Gespräch hatte sie kein Wort über Reisepläne verloren. Aber danach sah es hier aus. Ich stutzte. Die alte Dame würde niemals ihr Haus unbetreut zurücklassen. Etwas stimmte nicht.
    Ich drückte meine Nase an der kleinen Butzenglasscheibe, die wie ein Auge zur

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