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Gene sind kein Schicksal

Gene sind kein Schicksal

Titel: Gene sind kein Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Blech
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Gespräch ein. Mütter und Väter der sozial schwachen Schicht dagegen sprachen zueinander, als ob die Kinder gar nicht mit am Tisch säßen.
    Im Alter von drei Jahren hatte ein Kind der Mittelschicht rund 30  Millionen Wörter zu hören bekommen – ein Kind der Unterschicht nur 20  Millionen. Entsprechend unterschied sich das Vokabular. Die Kinder der Mittelschicht hatten 1100 Wörter auf Lager – die Kinder von Sozialhilfeempfängern nur 525 .
    Auch zum Lesenlernen braucht das Sprachzentrum im Gehirn vor allem eines: die Reize aus der Umwelt. Untersuchungen in Vorschul- und Grundschulklassen zeigen, dass für den Fortschritt beim Lesen die äußeren Umstände maßgeblich sind. [107] Das Klima in der Klasse, das Können der Lehrerin oder des Lehrers sind wichtiger als die Gene. Doch wenn es mit der Rechtschreibung eines Kindes nicht so klappt, schieben manche Eltern und Pädagogen die Schuld schnell auf die Biologie. Legasthenie und Dyslexie, heißt es, seien in hohem Maße erblich. Doch häufig liegt es am Umfeld: Ein Kind, das zu wenig Lesen und Schreiben übt, unterfordert seine Nervenzellen; im Sprachzentrum des Gehirns entstehen zu wenige synaptische Verschaltungen. Von außen mag das wie eine erbliche Dyslexie aussehen, in Wahrheit aber hat das Kind das Handicap erworben.
    Ein Mathe-Gen aus Asien?
    Wenn man sich die mathematischen Leistungen von Schulkindern im internationalen Vergleich anschaut, dann könnte man meinen, in Asien gäbe es so etwas wie ein Mathe-Gen. An der internationalen Vergleichsstudie Timss 2007 haben mehr als vierhunderttausend Schülerinnen und Schüler aus 60  Ländern teilgenommen. Die Ergebnisse für die achten Klassen geben einen guten Eindruck, wie die Mathekenntnisse auf der Erde verteilt sind: Während westliche Industriestaaten im Mittelfeld landen, gibt es eine Spitzengruppe von fünf Ländern, die mit großem Abstand vor allen anderen rangieren: China (Taiwan), Südkorea, Singapur, Hongkong und Japan.
    Die Dominanz der asiatischen Kinder und Jugendlichen kann man leicht erklären – sie arbeiten härter. Das liegt an ihrem kulturellen Hintergrund: Asiaten ist klar, dass Intelligenz formbar und das unweigerliche Ergebnis von kognitiver Anstrengung ist. In Deutschland dagegen schieben Eltern und Schüler schlechte Noten im Rechnen gerne auf die Gene und kokettieren damit, man sei nun mal mathematisch nicht sonderlich begabt.
    Dabei beruht das Talent für Mathe auf dem Einsatz; asiatische Schüler geben nicht so schnell auf. Wenn sie eine schwierige Aufgabe bekommen, dann versuchen japanische Schüler wesentlich länger, eine Lösung zu finden, als etwa amerikanische Altersgenossen. Und wenn sie in einer Sache schlecht sind, dann fühlen sich asiatische Schüler dadurch angespornt und verstärken ihre Anstrengungen: In einer Studie ließen Psychologen Studenten aus Japan und Kanada an Tests arbeiten. Doch unabhängig davon, wie die Tests tatsächlich ausgegangen waren, sagten die Psychologen einem Teil der Probanden, sie hätten hervorragend abgeschnitten. Der andere Teil bekam zu hören, sie seien ganz schlecht gewesen. Dann stellten die Psychologen neue Aufgaben zur Verfügung und sagten den Studenten, es sei ihnen überlassen, wie lange sie daran arbeiten wollten. Die Reaktionen der Studenten ergaben einen bemerkenswerten kulturellen Unterschied. Diejenigen Kanadier, denen man nach den ersten Tests ein gutes Ergebnis mitgeteilt hatte, arbeiteten wesentlich länger an den zweiten Aufgaben als Landsleute, denen man beim ersten Test ein miserables Abschneiden bescheinigt hatte. Ganz anders verhielten sich die Japaner: Unter ihnen arbeiteten jene länger, die zuvor ein schlechtes Resultat bekommen hatten. Diese Hartnäckigkeit hat keine biologische Grundlage, vielmehr ist sie kulturell bedingt und wirkt auf die Biologie: Durch das vermehrte Pauken erhöhen asiatische Schüler die Leistungsfähigkeit ihrer Nervenzellen.
    Zahlenangst wird eingeredet
    Und wenn Schülerinnen und Schüler in Naturwissenschaften und Mathe getestet werden, dann fällt oft noch etwas auf: In der Grundschule sind Jungen und Mädchen zwar noch gleich gut, aber mit der Zeit erzielen Jungen bessere Ergebnisse als Mädchen. (Ich habe es in meiner Klasse nicht anders erlebt, die zur Hälfte aus Schülerinnen bestand. Jede von ihnen hatte in der 9 . Stufe entweder in Physik oder in Mathe mindestens eine versetzungsgefährdende Note. Die Fächer wurden von Männern unterrichtet.) Solche Unterschiede haben

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