Gentlemen's Club
erst angefangen. Werden Sie bloß nicht selbstgefällig«, sagte Miss Summers scharf. Ihr Versuch eines Lächelns verschwand, und sie setzte ihre Brille wieder auf. Ich erkannte das Zeichen, dass ich entlassen war. »Okay, Sie können jetzt gehen.«
Sie stand auf und trat um den Schreibtisch herum. Sie kickte gegen die Reisetasche mit meinen alten Klamotten. Sie starrte sie an, als wäre sie von irgendwelchem Getier gebissen worden.
»Sehnen Sie sich nicht manchmal auch nach einem Job im Club, Sugar, statt in diesem engen Büro herumzuhängen?«, fragte ich und warf mir den teuren Mantel über. Ich konnte nicht widerstehen, über die weiche Wolle zu streicheln, während ich den Mantel knöpfte, aber Miss Sugar konnte das auch nicht. Sie ging um mich herum und befühlte auch den Stoff.
»Machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken. Ein oder zwei Mitglieder kommen immer mal wieder vorbei, damit ich ihnen Gesellschaft leiste«, antwortete sie und zog meine Haare über den Mantelkragen. Dann ging sie in die Sicherheit hinter ihrem Schreibtisch zurück. »Meine Zeit wird wieder kommen. Gehen Sie jetzt. Ich schließe ab.«
Ich ging hinaus in die Halle. Miss Sugar stand noch neben dem Schreibtisch und stieß mit einem Schuh verächtlich gegen die Tasche mit meinen alten Sachen. Sie sah aus wie eine Kreuzung zwischen Nonne und Bestatter.
»Haben Sie je daran gedacht, mal scharlachrot zu tragen, Miss Sugar?« Ich erwartete keine Antwort und ging in die Küche, um meine Vorstellungen für ein Schulessen mit den Köchen zu besprechen.
Zehntes Kapitel
Miss Sugar hatte Recht. Die nächsten Abende verbrachte ich damit, eine besonders giftige Version von Heiße Räder zu spielen. Das fand in einem blassgelb gestrichenen Gesellschaftszimmer statt, und drei Gentlemen, allesamt Bauern, waren dabei, dann ein schwuler Innenarchitekt und zwei ernsthafte Fliegenfischer. Keiner von ihnen schlug vor, den Rennen einen besonderen Kick zu geben, indem man den Verlierer etwas ausziehen ließ.
Jeden Abend brachte Rick, der Barmann, ein Tablett mit den verschiedensten Drinks mit, bevor sein Dienst aufhörte. Er sah mich kurz an und nickte unauffällig. Ich hatte statt des bisher üblichen Irish Coffee Tequila angeregt, und schon nach den ersten Gläsern stieg die Farbe in die meisten Wangen.
Rick hatte nie ein Wort über die beiden Abende in der Clubbar verloren. Die anschließenden Tage mit den Kartenspielern waren so zahm, dass ich schon befürchtete, die ersten zwei Abende mussten die großen Ausnahmen gewesen sein. Oder ich hatte ein paar feuchte Träume gehabt.
Entweder das, oder jemand hielt mich absichtlich aus dem Spiel.
An meinem nächsten freien Tag verließ ich meine schäbige Bude, um ein paar Runden zu laufen. Wenn ich schon keine Kicks mehr im Club erleben konnte, wollte ich mich wenigstens fit halten. Später würde ich mir eine Massage bei Michail gönnen. Vielleicht ergab sich bei Michail ja auch sonst noch was.
Aber zuerst wollte ich mein Blut in Wallung bringen. Ich lief in nördliche Richtung bis Kensington Gardens, wo ich mich zu einem Mini-Picknick entschied. Ich setzte mich neben dem Round Pool auf eine Bank und biss in eine Brezel, zu der ich Frischkäse mampfte. Es war zu kalt für ein Picknick oder für andere Aktivitäten im Freien, aber ich brauchte gesunde Nahrung, bevor ich zurück nach Hause lief und mich auf meinen Dienst vorbereitete.
Ich besah mir die Leute, die vorbeigingen und sich gegen den eisigen Wind stemmten. Sie mussten auch auf die glitschigen Exkremente achten, die hungrige Vögel rund um den Teich zurückgelassen hatten. Plötzlich joggte eine schlanke, drahtige Frau mit weißblonden, kurzen Haaren an mir vorbei. Sie war schon einmal an mir vorbeigelaufen, aber erst jetzt wurde mir klar, wer sie war.
Sie hatte rosa Wangen und einen tragbaren CD-Spieler, eingehängt in den Hosenbund. Sie trug ein lila Sweatshirt, kurze lila Shorts und Halbfingerhandschuhe - aber sie war ohne jeden Zweifel Avril Grey.
Ich zog schnell meine Kapuze hoch, deshalb erkannte sie mich nicht. Aber sie hatte einen Blick auf meine Joggingschuhe und auf die alte Jogginghose geworfen, bevor sie den Pfad durchs Gras in Richtung des Musikpavillons nahm. Ich gab den Enten die letzten Krümel meines Essens und erhob mich. Es war unmöglich, länger stillzusitzen. Ich schüttelte meine Beine, hielt die Knöchel locker und schaute mich noch einmal rund um den Teich um.
Kaum einer war dumm genug, an so einem kalten Tag
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