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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lord Sherry
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und Sie, legen Sie Ihre Löffel nicht auf
der andern Seite an die Tür!» fügte er hinzu.
    Bootle war
über diese Zumutung derart beleidigt, daß er ohne ein weiteres Wort aus dem
Zimmer stolzierte und die Tür mit peinlichster Sorgfalt hinter sich schloß. Der
Reitknecht sah seinen Gebieter mit aufrichtigem Kummer an. «'s ist wegen der
Missus», platzte er heraus.
    Der
Viscount ließ die Berlocke fallen, die er eben gewählt hatte. «Was?» fragte er
rasch. «Was ist geschehen?»
    Der
Reitknecht schüttelte traurig den Kopf. «Durchgebrannt, Guv'nor», sagte er
schlicht.
    «Was?»
    «So wahr
mir Gott helfe, Guv'nor, wahr und wahrhaftig! Davongefahren mit dem feinen
Fatzken, mit dem sie schon gestern gegangen is.»
    Der
Viscount hatte das merkwürdige Gefühl, als ob der Boden unter seinen Füßen
schwanke. Er streckte eine Hand aus, um sich an die Kante seines
Toilettentisches anzuklammern, und sagte heiser: «Das ist eine Lüge!»
    «Mir soll
sofort der Schlag treffen, wenn ich Sie je 'ne Lüge gesagt hab, Guv'nor», sagte
Jason in tiefem Ernst. «Würde über die Missus nie nich 'ne Lüge sagen. Könnt
selbst auf der Stelle losheulen!» Als Beweis seiner Aussage wischte er mit dem
Jackenärmel über seine Augen und schnüffelte schmerzlich.
    Der
Viscount, der so weiß wie sein Hemd geworden war, fragte: «Woher weißt du das,
Schlingel?»
    «Hab allens
mit die eignen Lichter gesehn, Guv'nor.» Er stieg unruhig von einem Fuß auf
den andern. «Ich steh am Camden Place, weil Maria – das freche Frauenzimmer,
was die Zofe der Missus ist – davon gequasselt hat, daß die Missus den Hund,
der wo der feinen alten Frau gehört, jeden Abend auf die Gasse führt. Dachte
mir, ich sollt hingehen und der Missus sagen, wie scheußlich sie uns fehlen tut
– aber ich konnt nicht dazukommen, den Brotladen aufzumachen. Weil nämlich auf
der Straße 'ne Kutsche steht, und daneben der Mann – Sie wissen schon,
Guv'nor. So leg ich mir auf die Lauer, und halt die Lichter offen. Und daher
kommt die Missus mit dem Hundsvieh an die Leine. Dann seh ich, wie der feine
Fatzke 'ne Maske über die Visage zieht, und ich will 'n dämlicher Hund sein,
wenn er die Missus nich packt und beginnt, ihr abzuküssen! Bevor ich 'nen Atem
holen kann, schmeißt er sie in die Kutsche, springt auf ein feines Stück
Vollblut, und alle hauen ab!»
    Der
Viscount trat dicht an ihn heran. «Du verdammter kleiner Narr, und du hast
nichts getan, um Mylady zu helfen? Du siehst mit an, wie man sie gewaltsam
fortführt und du ...»
    «Guv'nor,
's hat keinen Sinn nich, Ihnen zu belügen: sie is nich entführt wor'n, ich
mein, 's war nich gegen ihren Willen. Denn ich seh, wie sie 'n Arm um den Hals
von dem Kerl legt und ihn herzt, wie ich noch nie nich gesehn hab, sie hat sich
nie nich gewehrt, nich gequietscht, nein, nich ein einziges Mal.»
    «Ich habe
es ja schon immer gewußt!» erklärte die Gräfinwitwe.
    «Nein, zum
Kuckuck, Madam, Sie können das nicht gewußt haben», erklärte Ferdy, sehr
gerührt über die verzweifelte Miene seines Cousins. «Sherry, lieber alter
Junge, verlaß dich drauf, ist ja alles nur Unsinn! Das Kätzchen würde nie einen
Kerl mit einer Maske küssen! Könnte vielleicht George küssen, aber doch nicht
einen Kerl mit einer Maske. Dein erbärmlicher Reitknecht muß ja total betrunken
sein!»
    Sherry
schüttelte stumm den Kopf. Und Jason sagte: «Ich bin nie nich betrunken. Bin
doch hinter die Kutsche dreingerannt – quer durch die ganze Stadt, ja, das hab
ich getan, und ich weiß, welche Straße dieser gerissene Halunke fahren tut, es
war nicht die Straße, wo man zu seinem Haus hinkommt. Fährt mit der Missus die
Radstockstraße, die wo man nach Wells fährt, jawoll, aber er wird nich weit
kommen, das weiß ich auch, nein, das wird er nich!»
    Sherry hob
den Kopf. «Warum denn nicht?»
    «Ich hab
den Halunken beklaut, während er auf die Missus gewartet hat», sagte Jason
trotzig. Und in verteidigendem Ton fügte er hinzu: «Sie hab'n mir nie nich
gesagt, daß ich diesen Kerl nich beklauen darf, Guv'nor, und wenn das 'n Freund
von Sie is, denn hör ich das zum erstenmal.»
    Sherry sah
ihn durchdringend an. «Was hast du ihm gestohlen? Komm, ich bin nicht böse auf
dich! Gib Antwort!»
    Jason
schnüffelte etwas, dann griff er in seine Brusttasche und förderte widerwillig
eine prall gefüllte Brieftasche und eine mit einem Ring verschlossene Börse
zutage. Beides überreichte er seinem Gebieter. Die Brieftasche enthielt

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