Georgette Heyer
wenn er einem freundlichem Impuls nachgab. Aber
was Laurence jetzt verlangte, konnte er ebensowenig tun, wie ihn im Schuldturm
verkommen lassen. Seine Zuneigung zu Laurence war gering, und er wußte, daß
Laurence ihm gegenüber genauso fühlte. Aber als er George Wingham sagte, er
hätte Laurie ruiniert, meinte er es im Ernst. Laurences Streiche, seine Faulheit,
seine haltlose Verschwendungssucht kreidete er sich selbst an. Durch seine
schnelle, bedenkenlose Großzügigkeit untergrub er jede Selbständigkeit, die
noch in seinem Cousin stecken mochte, ohne seine Oberflächlichkeit zu zügeln;
er bestärkte ihn vielmehr in der Überzeugung, daß er nie auf eigenen Füßen
werde stehen müssen, weil der reiche Cousin ihn immer vor einer Katastrophe
bewahren würde. «Schließlich spielt es doch für dich keine Rolle!» hatte ihm
Laurie einmal, in seinem ersten Jahr in Oxford, gesagt. In der Erinnerung
lachte Waldo über sich selbst. Laurie sagte damals voll Bitterkeit, daß es für
jemanden, der in Geld schwimme, leicht sei, Sparsamkeit zu predigen, und daß
der junge Waldo mit seinen falsch verstandenen philanthropischen Ideen reicher
sei, als man sich erträumen könne. Um nur ja nicht als Geizhals verschrien zu
werden, öffnete er seine Börse weit, um den sich stets in Verlegenheit
befindlichen leichtsinnigen jungen Mann hineingreifen zu lassen. Denn er war
nur zu geneigt, mit Laurence zu glauben, daß der Unterschied in ihren
Vermögensverhältnissen eine große Ungerechtigkeit des Schicksals sei. Und nicht
nur einmal, immer wieder betrachtete Laurence ihn als einen, in dessen Tasche
zu greifen er ein Recht hätte.
Nur als
Laurence hoch zu spielen begann, wurde Sir Waldo hart; und er wollte hart
bleiben. Der Sturm des Grolls, den er in Laurence entfacht hatte, bestärkte ihn
in seiner Absicht. Aber sogar in seiner größten Erbitterung sagte ihm sein
Gewissen, daß er selbst daran schuld sei. Oft tat ihm Laurie leid, aber sein
Mitleid war immer mit Abneigung gepaart. Und weil er ihn nie gemocht hatte, gab
er ihm immer wieder Geld, was nichts zählte im Vergleich zu den ganz anderen
Dingen, die er Julian erwies.
Natürlich
lagen die Dinge bei beiden nicht gleich. Laurence war einige Jahre älter als
Julian und hatte auch nicht den Vater in einem Alter verloren, in dem er die
väterliche Hand gebraucht hätte. Aber sein Vater war ein herzloser Mann, den
seine Kinder langweilten und dem es um jeden Penny leid tat, den er für sie
ausgeben mußte; so war es natürlich, daß Laurence sich in jeder mißlichen Lage
lieber an den Cousin wandte.
Vielleicht
wäre es klüger gewesen, Laurie nicht aufzufordern, in Broom Hall zu bleiben,
aber Sir Waldo konnte ihn unmöglich so unfreundlich behandeln, um so mehr, als
Julian hier lebte; schon deshalb mußte er Laurence willkommen heißen.
Natürlich war Laurence auf Waldos Zuneigung zu Julian eifersüchtig, nicht aus
Ergebenheit, sondern weil er vermutete, daß Waldo für Julian Geld verschwende.
«Hätte Julian dich darum gebeten, du hättest ihm nichts verweigert!» hatte ihm
Laurence einmal an den Kopf geworfen.
«Lindeth
verlangt nichts!» hatte er ihm geantwortet.
«Nein, das
hat er nicht nötig, er kann alles von dir haben, wenn er dich nur ansieht! Das
wissen wir alle.»
«Dann seid
ihr alle im Irrtum!»
Aber darin
irrte Laurence nicht, daß Julian sein Lieblingscousin war. Und gerade weil das
so war, konnte Sir Waldo Laurence nicht von der Tür weisen, während es Julian
freistand, so lange zu bleiben, wie es ihm beliebte. Er dachte an Laurences
Eifersucht und wie lange es wohl dauern würde, bis er und Julian in Streit
gerieten. Nun hörte er den Lärm von Rädern und auch, daß Julian zu jemandem
gute Nacht sagte. Einige Minuten später betrat er das Zimmer.
«Waldo,
ach, da bist du ja! Hast du mich schon verlorengegeben? Entschuldige vielmals,
aber ich wußte, du würdest nicht in Sorge sein.»
«Nicht in
Sorge? Wo ich seit Stunden in größter Aufregung auf und ab gehe!»
Julian
kicherte. «Du machst aber einen beruhigenden Eindruck!»
«Ganz
erschöpft! Hast du gegessen?»
«Ja, im
Pfarrhaus. Sie setzten sich gerade zum Dinner, als wir eintrafen, und Mrs.
Chartley wollte, daß ich bleibe. Miss Trent lehnte ab. Der Rektor sagte, ich
brauche nicht zu fürchten, daß ich zu Fuß nach Hause würde gehen müssen, der
Kutscher würde mich nach Broom Hall bringen. So blieb ich. Ich hatte nicht die
Absicht, so lange zu bleiben, aber wir sprachen über alles
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