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Gequält

Gequält

Titel: Gequält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Koppel
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neues kaufen. Er wollte die Gelegenheit nutzen, sich zur Abwechslung einmal etwas herauszuputzen. Gute Idee. Eine hervorragende Art, sich die Zeit zu vertreiben.
    Er zog seine Schuhe an, nahm die Jacke vom Bügel und eilte leichtfüßig die Treppe hinunter. Vor der Tür blieb er stehen und drehte sein Gesicht ein paar Sekunden in die Sonne, dann ging er weiter. In der Odengatan sah er zu dem Haus, in dem Anders Malmberg wohnte. Calle war ihm zwar noch nie über den Weg gelaufen, rechnete aber damit, dass dies früher oder später geschehen würde. Er hatte sich noch nicht entschieden, ob er ihn dann ansprechen wollte oder nicht.
    Jörgen hatte über Anders Malmbergs Glosse geschimpft wie ein Rohrspatz und sie als den erbärmlichsten und egozentrischsten Scheiß bezeichnet, den er je gelesen habe. Seine Entrüstung tröstete Calle, der großzügig und verständnisvoll darauf hingewiesen hatte, dass der überfahrene Junge vermutlich alles andere als lammfromm gewesen sei.
    »Kein Mensch ist nur schwarz oder weiß«, meinte Jörgen. »Alle sind sowohl als auch. Diese Vereinfachungen in den Abendzeitungen verdummen die Welt, machen sie hässlicher und machen die Menschen zu Duckmäusern. Für ihn spielt das im Übrigen keine Rolle mehr. Er ist schließlich tot. Aber seine Mutter kriegt es voll ab.«
    »Sie war ehrlich gesagt auch nicht sehr einnehmend«, meinte Calle.
    »Umso wichtiger ist es, sie in Ruhe zu lassen. Die Boulevardpresse ist schamlos, aber bei der geringsten Kritik gehen sie an die Decke und ziehen alles ins Lächerliche. Wie all die Schlappschwänze auf dem Schulhof, die immer überall mitlachen, um nicht selbst Ziel des Spottes zu werden.«
    Calle war beinahe vor Anders Malmbergs Haustür angelangt, als diese aufging und ein großer Mann ins Freie trat. Calle erkannte ihn. Ihre Blicke begegneten sich einen Augenblick lang, und Calle hob die Hand zum Gruß.
    Wortlos ging Mattias Svensson an ihm vorbei.

49
    »Nach dir wird gefahndet.«
    »Ich weiß.«
    Conny Bladh sah sich den Lauf an. Er hatte nie recht verstanden, worauf man dabei achten sollte.
    »Und das Zielfernrohr funktioniert?«
    »Damit triffst du einen Tennisball auf hundert Meter Entfernung. Aber der Rückstoß ist beträchtlich.«
    Conny Bladh nickte und gab seinem Gegenüber das Gewehr zurück. Der Verkäufer schraubte das Zielfernrohr ab und legte alles wieder in den Koffer. Er ging zu einer Kommode, nahm eine Schachtel Patronen heraus und legte sie neben den Koffer.
    »Reichen fünfzig? Du brauchst nicht mehr?«
    »Nein.«
    Der Verkäufer sah ihn forschend an.
    »Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
    »Was hatten wir ausgemacht? Zwanzig?«
    »Plus fünf für das Zielfernrohr. Die Patronen gibt’s gratis dazu.«
    »In Euro?«
    »Den europäischen Peseten?«
    Der Verkäufer griff zu einem Taschenrechner und errechnete die Summe mithilfe eines lausigen Kurses. Conny sah ihn an, und der Verkäufer zuckte nur mit den Achseln.
    Conny öffnete seinen Rucksack und nahm ein Hunderterbündel Fünfziger heraus.
    »Passt schon.«
    Der Verkäufer schlug das Geldbündel gegen die Tischkante. Dann zählte er es rasch mit dem Daumen durch.
    »Dann wünsche ich viel Glück bei deinen Plänen«, schloss er. »Ich vermute, dass ich von dem Ergebnis in der Zeitung lesen werde.«
    Conny Bladh nahm das Gewehr und ging. Er wollte nicht länger als nötig warten, denn er hatte nur eine Chance.

50
    Calle gefiel sich in seinem neuen Hemd. Er fühlte sich selbstbewusst und ausgelassen, bis David frisch geduscht aus dem Krankenhaus kam. Sie sahen sich schon aus der Ferne und lächelten sich an. Plötzlich war Calles Selbstbewusstsein wie weggeblasen. David wirkte so relaxed, und dies war sein Revier. Calle befand sich auf fremdem Terrain. Ein Muskel in seinem Gesicht zuckte unsicher. Umarmung oder Händeschütteln? Schwer zu entscheiden. Calle zögerte, David streckte die Hand aus.
    »Hallo! Nett, dich wiederzusehen.«
    »Gott, ich bin richtig nervös«, meinte Calle.
    David trat einen halben Schritt zurück und sah ihn verständnislos an.
    »Ich musste das einfach sagen«, sagte Calle. »Sonst wäre es nur noch schlimmer geworden.«
    David ließ seine Hand los und klopfte ihm freundlich auf die Schulter.
    »Immer mit der Ruhe. Du hast mich angerufen. Das war mutig.«
    Calle nickte dankbar.
    »Jörgen hat mich gezwungen.«
    »Das hat er gut gemacht«, erwiderte David. »Los, gehen wir.«
    Sie lenkten ihre Schritte an der Schrebergartenkolonie vorbei Richtung Wasser,

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