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Gequält

Gequält

Titel: Gequält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Koppel
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wo ein reges Treiben herrschte. Fahrradfahrer, Jogger und Spaziergänger mit Hunden, Leute, die ihre Füße ins Wasser hielten. Alle genossen die Sommerwärme. Calle sah David an.
    »Kommst du oft hierher?«
    »Nicht so oft, wie ich gerne würde. Manchmal zum Mittagessen, wenn ich Zeit habe.«
    »Stressiger Beruf?«
    David zuckte mit den Achseln.
    »Geht so, aber die Schichten sind recht lang.«
    »Was machst du eigentlich genau?«
    »Ich flicke Leute zusammen. Cut and paste.«
    »Klingt spannend.«
    »Gelegentlich ist es das. Ich glaube, es ist eine dankbare Arbeit. In moralischer Hinsicht einfach und unangreifbar.«
    Calle verstand ihn nicht.
    »Wir werden gebraucht, und man schätzt uns, und deswegen sind wir auch etwas eingebildet. Das ist übrigens nicht der Beruf, von dem ich als Kind geträumt habe. Ich wollte Sportjournalist im Radio werden, weil man da unablässig reden und einfach beschreiben kann, was man sieht. Ich habe mich an der Hochschule für Journalismus beworben, bin aber nicht genommen worden. Im Gegensatz zu dir schreibe ich lausig.«
    Calle schüttelte den Kopf.
    »Das kannst du nicht wissen.«
    »Du schreibst wahnsinnig gut. Einfühlsam. Ich habe das Familienjournal gekauft, und mir sind fast die Tränen gekommen, als ich den Text über den toten Jungen gelesen habe.«
    Calle sah ihn skeptisch von der Seite an.
    »Danke«, sagte er, als ihm klar wurde, dass das Lob aufrichtig gemeint war.
    »Ich sage einfach, wie es ist. Da vorne ist das Restaurant. Restaurant ist vielleicht zu viel gesagt, eher ein Clubhaus mit Kiosk. Aber das Essen ist gut und die Lage einfach fantastisch.«
    Sie stellten sich an der Ausgabe an und bestellten zwei Krabbenbrote und eine Flasche Rosé.
    »Du bist eingeladen«, sagte David.
    Calle hob die Hand.
    »Aber es war mein Vorschlag.«
    »Sicher?«
    »Absolut. Ja, meine ich.«
    »Gut, dann zahle ich nächstes Mal. Ich suche uns schon mal einen Tisch.«
    David fand einen Tisch direkt am Wasser. Die Sonne glitzerte in den Bugwellen der Boote, die Richtung Schleuse fuhren. Calle stellte das Tablett ab und schenkte Wein ein.
    »Rosé«, sagte er, hielt das Glas in die Höhe und betrachtete die Farbe. »Es ist lange her, dass ich Rosé getrunken habe.«
    »Was tut man nicht alles, um den Vorurteilen zu entsprechen.«
    Sie stießen an und tranken. David erkundigte sich nach dem Artikel, den er gelesen hatte. Calle erzählte ihm die Wahrheit über die verlogene Reportage. Er erzählte von der wütenden Mutter, dem einsilbigen Schlägerbruder und dessen psychotisch lächelnder Freundin. Dann erzählte er von Anders Malmbergs Glosse und Margits Anruf.
    »Als ich heute an Anders’ Haus vorbeiging, habe ich den Gangsterbruder aus der Haustür kommen sehen. Ich habe ihn gegrüßt, aber er ist einfach an mir vorbeigegangen.«
    »Meinst du, er war dort und hat den Journalisten verprügelt?«, fragte David.
    Calles Miene wurde ernst, als sei ihm dieser Gedanke noch gar nicht gekommen.
    »Nein«, meinte er schließlich. »So schlimm wird es doch wohl nicht sein  … «
    David zuckte mit den Achseln.
    »Deiner Beschreibung nach wirkte der Bruder nicht sonderlich gesprächig.«
    Der unschöne Gedanke nistete sich bei Calle ein. Das Klingeln seines Handys unterbrach weitere Spekulationen. Calle zog es aus der Jackentasche  – unbekannte Nummer. Er sah David an, der zustimmend nickte. Calle fuhr mit dem Finger über den Monitor.
    »Ja?«
    »Hallo, Calle, wie geht’s Ihnen?«
    »Mit wem spreche ich?«
    »Hier ist Sara Vallgren. Wir sind uns in Höganäs begegnet.«
    »Seltsam, dass Sie gerade jetzt anrufen. Ich habe gerade einem guten Freund erzählt, dass ich  … «
    »Ich habe Ihren Artikel gelesen«, unterbrach ihn Sara mit selbstverständlicher Liebenswürdigkeit. »Ich habe ihn sogar mit großem Interesse gelesen. Ich werde Sie in Zukunft genauestens im Auge behalten.«
    »Jetzt verstehe ich nicht, was  … «
    »Ich glaube, Sie verstehen mich sehr wohl. Wie gesagt, Sie scheinen ein kluger und einsichtiger junger Mann zu sein. Einer, der nicht aus dem hohlen Bauch heraus abwegige Vorwürfe erhebt. Wir haben Freunde in Stockholm. Vielleicht möchten Sie ja einige von denen kennenlernen?«
    Calle brachte kein Wort heraus.
    »Dann wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg beim Schreiben«, schloss Sara. »Passen Sie auf sich auf, seien Sie vorsichtig.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen. Calle starrte ins Leere.
    »Calle?«, sagte David. »Ist was passiert?«
    Calle hob die Hand

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