Gerettet von deiner Liebe
„Und von Ihrer.“ Kopfschüttelnd fügte er hinzu: „Ein ausgesprochen beschämendes Verhalten für einen Mann, den Sir Percival Beau Crusoe nennt. Ich bin kein besonders tapferer Mensch.“
Susannah wusste nicht, was sie von diesem freimütigen Geständnis halten sollte, aber Chumley kam ihr zu Hilfe. Der Butler verneigte sich. „Sir, wer von uns weiß schon, wie er sich unter gewissen Umständen verhalten würde?“
Verstohlen warf sie James einen Blick zu und freute sich darüber, dass seine Verlegenheit gewichen war. „Kommen Sie“, sagte sie. „Ich sehne mich danach, mein müdes Haupt zu betten und zu schlafen.“
Auf halber Treppe verblüffte ihr Gast sie damit, dass er sich auf eine Stufe setzte. Er stellte das Tablett vorsichtig eine Stufe höher und klopfte auf den Teppich neben sich. „Mrs. Park, schenken Sie mir noch fünf Minuten. Ich brenne darauf zu erfahren, was in Ihrer Familie los ist“, begann er und geriet ins Stottern. „Ich … ich meine, wieso ist Loisa so versessen darauf, Sie zu kränken?“
Sie setzte sich neben ihn, halb erleichtert, halb verlegen.
„Warum scheuen Sie sich, mich morgen zu Sir Percival zu begleiten? Er ist zwar der albernste Mensch, der mir je begegnet ist, aber er ist harmlos. Und wieso will Sir Joseph, dass ich etwas für Loisa tue?“
Susannah schwieg eine Weile. „Das hängt alles irgendwie zusammen“, begann sie schließlich, zog die Knie an und steckte ihre kalten Füße unter den Morgenmantel. „Loisa ist zwei Jahre älter als ich“, fuhr sie im Flüsterton fort. „Papa und Mama entschlossen sich, ihre offizielle Einführung in die Gesellschaft zu verschieben. Seltsam, nicht wahr? Vielleicht glaubten sie, sie würde sich in ein paar Jahren in eine Schönheit verwandeln.“
„Das kann sie Ihnen doch nicht zur Last legen“, bemerkte James und nahm eine Scheibe Zimtbrot. „Sie auch?“
„Ja, gern. Kann ich auch ein Stück Käse bekommen?“
„Gewiss. Ich brauche nicht viel. Nur so viel, um …“ Er stockte wieder. „Eben nur ein bisschen.“
Sie aßen schweigend, und Susannah spürte, wie sie sich in seiner Gegenwart entspannte. „Als Loisa neunzehn wurde, nahm mein Vater einen neuen Sekretär in seine Dienste.“ Sie zog den Morgenmantel enger um die Schultern, unschlüssig, wie sie fortfahren sollte. „Sein Name war David Park, und ich verliebte mich in ihn.“ Diese knappe Auskunft musste genügen.
„Ich nehme an, er war nicht …“
„Nein, er war keineswegs standesgemäß. Sein verstorbener Vater war Vikar, und David war der älteste von sieben Kindern. Er erhielt ein Stipendium für Begabte und durfte in Cambridge studieren. Mama bereitete mich für mein Gesellschaftsdebüt vor, was Loisa maßlos erzürnte.“
„Hatte Loisa denn Aussichten auf einen Verehrer?“, fragte er.
„Nein, aber sie war der Meinung, ich würde ihr jeden möglichen Verehrer abspenstig machen.“
„Eine begründete Sorge“, war alles, was er sagte, und Susannah spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie sich seit Jahren nur als Noahs Mutter gesehen hatte.
„Es war hoffnungslos, Mr. Trevenen. Meine Eltern hätten mich lieber … ins Kloster gesteckt, als ihre Zustimmung zu dieser Hochzeit zu geben. Mama hatte andere Pläne.“ Sie zögerte. „Ich sollte die Königin der Ballsaison sein, aber …“ Wieder schwieg sie.
„Das ganze Getue war nicht nach Ihrem Geschmack?“
„Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Mr. Trevenen.“ Sie seufzte. „Ich hatte einfach keine Lust.“
„Würden Sie denn jetzt gerne tanzen?“ Er lachte leise. „Nicht gerade in diesem Augenblick, aber Sie wissen, was ich meine.“
„Die Zeiten sind vorbei, Mr. Trevenen. Das verstehen Sie gewiss.“
„Vielleicht“,meinte er ausweichend. „Die Vergänglichkeit der Zeit hat etwas Merkwürdiges an sich. Ich war sechs Jahre verschollen, und irgendwie dachte ich, wenn ich zurückkomme, sei alles beim Alten. Aber nun führt England Krieg mit Frankreich, und meine Mutter lebt nicht mehr.“
Meine Kümmernisse sind dagegen lächerlich klein, dachte Susannah und tastete im Dunkeln nach seinem Arm. „Tut mir leid“, murmelte sie.
„Keine Sorge, meine Liebe.“
„Um die Sache kurz zu machen“, fuhr sie nach einem Augenblick fort. „Mein Debüt fand nie statt. David und ich brannten nach Schottland durch und ließen uns in Gretna Green vom Dorfschmied trauen. Bei unserer Rückkehr kam es zu einem furchtbaren
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