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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Sekunden sah er ihr in die Augen und sie musste vor Verlegenheit blinzeln. Hinter ihrer starken Brille wirkten ihre braunen Kulleraugen noch größer und dunkler. Arano blickte zu Boden. Ihm war kalt, er hatte nur ein Hemd an und die Jacke im Auto gelassen. Je länger er hier stand, desto unbehaglicher wurde ihm zumute, desto mehr rechnete er damit, verhaftet und eingesperrt zu werden wegen seiner gewalttätigen Tochter, die niemanden respektierte. Nicht einmal ihren Vater. Er schämte sich für seine Gedanken.
    Niemand hatte das Recht ihn festzuhalten, es war vielmehr seine Pflicht hier zu sein und für seine Tochter einzustehen. Wenn sie verschwunden war, musste man sie suchen, sie war ein Kind, sie war auf sich allein gestellt, sie hatte schlechten Umgang, sie war leichtsinnig und eigenwillig. Sie war ein Kind, das Schutz brauchte.
    »Hören Sie bitte…«, sagte Arano.
    »Einen Moment«, sagte Süden und ließ den Blick endlich von Freya. Fast hätte sie aufgeatmet, so erleichtert fühlte sie sich.
    »Wieso hat dieser Taxifahrer auf das Mädchen geschossen? Und wer sagt, dass es Lucy war?«
    »Ein Zeuge«, fing Freya an, »… also bei der Schlägerei, bei dem Angriff auf der Leopoldstraße, die Kollegen haben das gemeldet, ich habs nur überflogen, der Zeuge will Lucy erkannt haben, sie hat gebettelt, auf der Straße, auf dem Bürgersteig…«
    »Warum hat sie gebettelt?«, wollte Arano wissen, doch seine Frage ging in Südens Frage unter: »Aber warum hat der Taxifahrer geschossen?«
    Arano und Netty sahen den Kommissar an und sie griff nach ihrem Hut und hielt ihn fest, als käme aus Südens Mund ein Windstoß.
    »Es war angeblich nur ein Warnschuss«, sagte Freya. Süden strich sich die langen Haare nach hinten und schwieg. Nach einer Weile sagte Freya: »Kannst du mir erklären, zu welchem Zweck einer einen Warnschuss abgibt bei einem Mädchen, das vor ihm wegläuft? Ich mein, was heißt das, ein Warnschuss? Wollte er anschließend auf sie schießen? Der Mann hat zu den Kollegen gesagt, er wollte nur einen Warnschuss abgeben. Ein Taxifahrer. Auf offener Straße. Mittag um eins. In einer Gegend voller Geschäfte und Cafés.«
    »Kennst du die Autonummer von dem Taxi?« Freya schüttelte den Kopf. »Wieso?«
    »Wann war Ihre Tochter zum letzten Mal zu Hause?« Süden wandte sich an Arano.
    »Vor vier Tagen, Freitag, wir haben zusammen gefrühstückt, sie hatte Schule, und da ist sie auch hingegangen. Sie war in der Schule, definitiv.«
    »Nur zwei Stunden«, sagte Netty.
    »Ja«, sagte Arano finster.
    »Und seitdem hat sie sich nicht mehr bei Ihnen gemeldet?«
    Kaum merklich schüttelte Arano den Kopf.
    »Bei mir auch nicht«, sagte Netty. »Das tut sie manchmal, wir verstehen uns gut, und sie mag auch meine Tochter, die Melanie. Die hat auch nichts von ihr gehört, schon seit Wochen nicht.«
    »Ich möchte meine Tochter als vermisst melden«, sagte Arano mit fester tiefer Stimme.
    »Ich habe sie gesehen«, sagte Süden. Und er berichtete, wie er Lucy in der Ainmillerstraße begegnet war und sie vor einem heranrasenden Auto in Sicherheit gebracht hatte. Dass es sich um ein Taxi gehandelt und er ihr vielleicht das Leben gerettet hatte, worüber er inzwischen seine Zweifel hegte, erwähnte er nicht. Auch nicht, dass sie ihn im Café bestohlen hatte.
    »Und warum haben Sie sie denn nicht gleich mitgenommen?«, fragte Netty und erhob sich aufgeregt.
    »Sie hätten sie doch mitnehmen und zu Hause abliefern müssen!«
    »Ich wusste nicht, dass sie vermisst wird. Sie sah nicht so aus, als sei sie auf der Flucht.«
    »Auf der Flucht!«, stieß Netty hervor. »Sie ist doch nicht auf der Flucht!«
    Vielleicht ist sie das, dachte Süden.
    »Vielleicht schon«, sagte Arano.
    »Meine Kollegin nimmt die Anzeige auf«, sagte Süden.
    »Nennen Sie ihr alle Orte, an denen sich Ihre Tochter aufhalten könnte, lassen Sie sich Zeit, nennen Sie ihr Namen von Freunden und Freundinnen. Alles, was Ihnen einfällt, erleichtert unsere Arbeit.«
    »Hat sie Ihnen nicht gesagt, wo sie hin wollte?« Arano machte Süden die Tür auf und wartete auf eine Antwort.
    »Sie hat wenig gesprochen. Sie hat zwei Colas getrunken und einen Himbeerkuchen gegessen.«
    »Das ist ihr Lieblingskuchen«, sagte Netty.
    »Sie ist weggegangen, während ich auf der Toilette war.«
    »Typisch«, sagte Arano.
    »Bitte setzen Sie sich«, sagte Freya, »ich hol meinen Laptop.«
    Süden ging auf den Flur hinaus. Hätte er Lucy sagen sollen, dass er Polizist war?

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